Wenn es die Vorschrift verlangt

■ Türkische Geschäftsleute lassen sich erstmals in Bremen zum Ausbilder ausbilden

rgendwann in diesem Sommer wird Orhan Cakir ein Schild in seinem Büro aufhängen – mit dem Schriftzug „Dieser Betrieb bildet aus“. „Das muß man doch aufhängen, oder?“, fragt er. Denn ganz so sicher ist er sich nicht. Der 42jährige Türke schlägt sich gerade mit den bürokratischen Regeln der deutschen Ausbil-dungsordnung herum. Als Chef einer Werbeagentur hat er jetzt eine „Ausbildung zum Ausbilder“begonnen. Das Angebot läuft seit Februar und ist in Bremen das erste seiner Art.

Neben Carkin lassen sich sieben weitere türkische Geschäftsleute ausbilden: Einzelhändler, Reisebüroleiter sowie Supermarkt-Besitzer sind mit dabei . Die „Beratungsstelle zur Qualifizierung ausländischer Nachwuchskräfte“(BQN) hat die Kurse organisiert. Mittlerweile gibt es in Bremen rund 2.000 ausländische Selbständige. Aber kaum einer bildet aus, obwohl der eigene Nachwuchs ohne Lehrstelle auf der Straße steht. „Viele wissen nichts über die Ausbildungsregeln in Deutschland“, sagt Ahmet Can von der BQN, die zur Arbeiterwohlfahrt gehört. „Und vielen ist nicht bewußt, wie wichtig eine Ausbildung für junge Leute in Deutschland ist.“

So kennt die Türkei keine „Verträge oder Ausbildungsordnungen. Das wird alles mündlich abgemacht“, erinnert sich Werbeagentur-Mann Orhan Cakir. Er selber hat schon mit 14 Jahren angefangen, als Schriftenmaler in einer kleinen Industriestadt im Westen der Türkei zu arbeiten. Danach studierte er Publizistik in Istanbul – und kam schließlich über Umwege nach Deutschland. Seit drei Jahren ist Cakir selbständig und gestaltet in seiner „Schriftwerkstatt“Am Dobben Werbeschilder und Schriftzüge. Das Geschäft läuft prima. Was dem Ein-Mann-Betrieb jetzt noch fehlt, ist eine „professionell ausgebildete Fachkraft“.

Aber bevor bei Cakir ein Azubi anfangen kann, sind noch einige Hürden zu nehmen. Die erste hat der Gestalter schon hinter sich: Er hat der Handelskammer bewiesen, daß er sich „fachlich“als Ausbilder eignet. Lehrbriefe und Zeugnisse aus der Türkei hat er ja nicht. Da mußte eben eine von ihm gestaltete Stadtteilzeitschrift als Beweismaterial herhalten. „Es gibt einfach soviele Auflagen“, klagt Organisator Ahmet Can.

Gerne hätte er zum Beispiel die türkischen Restaurantbesitzer mit im Boot gehabt. Aber da seien die Vorschriften der Handwerkskammer besonders „starr. Köche müssen in der Lehre drei verschiedene Küchen kennenlernen. Ein Verbund zwischen Türken, Chinesen und zum Beispiel Spaniern müßte eigentlich her. „Das müßte aber alles organisiert werden“, klagt Can. Und da sind ja auch noch die vielen Bäcker oder Friseure – alles traditionelle Handwerksberufe. Da geht ohne einen teuren Meisterbrief, der mehrere Jahre braucht, gar nichts. „Aber dazu braucht man sehr gute Deutschkenntnisse, die nicht alle haben. Und vielen fehlt das Geld“, weiß der Berater.

Die Einzelhändler und Werbeleute wie Orhan Cakir haben es unter dem Dach der Handelskammer schon leichter: Sie müssen ihre „fachliche Eignung“nachweisen und dann noch im Kurs „pädagogische Fähigkeiten“erlernen. Am Schluß steht eine Prüfung vor der Kammer. Und dann gibt es im Sommer das begehrte „Ausbilder-Zertifikat“. Und vielleicht auch bei Cakir das Schild „Dieser Betrieb bildet aus“an der Wand – wenn es denn die Vorschrift verlangt.

Katja Ubben

Die BQN bietet im Herbst einen neuen Kurs an. Die Kosten von rund 1.000 Mark trägt der Teilnehmer. Weitere Informationen gibt es unter :