■ Kommentar
: Ein Platz, der keiner ist

Es handelt sich nur um ein Detail: Auf der Gedenktafel, die heute am künftigen „Platz der Märzrevolution“ von 1848 angebracht wird, heißt es: „Vom 22. Mai bis in den September 1848“ tagte in der damaligen Singakademie die Preußische Nationalversammlung. Tatsächlich trafen sich die gewählten Abgeordneten am 22. Mai zur Eröffnungssitzung im „Weißen Saal“ des Stadtschlosses und erst am 25. Mai in der Singakadamie, dem heutigen Maxim Gorki Theater.

Das ist ein Detail, aber es zeigt, wie lieblos der Senat mit dem Gedenken an die 48er Revolution umgeht. Überraschend kam das Datum nun wirklich nicht. Andere Bundesländer haben seit längerem auf dieses Datum hingeplant, der Senat aber hat lange nichts getan und erst unter Druck in letzter Minute reagiert. Entsprechend ist das Ergebnis. Der ausgewählte „Platz der Märzrevolution“ ist nicht hergerichtet und hat auch keinerlei Anlieger, weil selbst das Maxim Gorki Theater die Adresse „am Festungsgraben“ beibehält. Selbst das Straßenschild wird erst im Sommer aufgestellt.

Ausgewählt wurde der Platz, der keiner ist, in einer trotzigen Reaktion, um den Bezirken Mitte und Tiergarten etwas entgegenzusetzen, die sich zuvor für die Umbenennung des Platzes vor dem Brandenburger Tor ausgesprochen hatten. Nicht ohne Bedacht wurde wohl auch ein Ort gewählt, der nichts mit dem anarchischen und blutigen Volksaufstand am 18. März 1848 zu tun hat. Den Platz vor dem Brandenburger Tor umzubenennen ist die eindeutig bessere Wahl. Ein Platz dort stellt eine Verbindung her zum 17. Juni 1953, als das Volk ebenfalls gegen einen autoritären Obrigkeitsstaat kämpfte. Der Senat hat sich auf diese Debatte nicht eingelassen – typisch für den Umgang mit dem ungeliebten Datum. Gerd Nowakowski