Auf Buddhas Weg zum Frieden

Ab heute marschiert Kambodschas buddhistische Friedens- und Ökobewegung wieder, um der Zivilgesellschaft des Landes Gehör zu verschaffen  ■ Aus Phnom Penh Thomas Ruttig

Wie eine Oase der Ruhe liegt mitten im quirligen Zentrum der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh das Gelände des Lan- Ka-Tempels. Nach allen Seiten offen und voll blühender Bäume zieht es den Spaziergänger magisch an. Ein Hausdiener eilt, um den Schlüssel für die Pagode zu holen, in deren ebenerdigen Saal eine große Buddha-Statue für die alltäglichen Rituale steht. Ein junger Mönch in orangefarbener Robe gibt Auskunft: Der Tempel sei unter Pol Pot erheblich zerstört, aber schnell wieder aufgebaut worden. Heute kommen wieder über einhundert Novizen, um die alten Texte in der buddhistischen Schriftsprache Pali zu lesen, aber auch, um Englisch und anderes Nützliches zu lernen.

Vor einem Nebengebäude steht auf einer kaum mannshohen Stele in lateinischen, Khmer- und selbst kyrillischen Lettern: „Möge Frieden auf Erden herrschen“. Hier ist das Hauptquartier von Samdech Preah Maha Ghosananda. Der Mönch ist seit Jahren für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen und immer sehr beschäftigt. Gerade hat er in Japan einen renommierten Friedenspreis entgegengenommen, bevor er wieder zurückjettet, um ab heute den nächsten Dhammayietra – einen Friedensmarsch – anzuführen.

Solche Märsche haben ihn bekannt gemacht. Ghosananda und seine Mitstreiter vom „Dhammayietra-Zentrum für Frieden und Gewaltfreiheit“ suchen sich innenpolitische Brennpunkte für ihre Aktionen. Diesmal wird „Dhammayietra VII“ 19 Tage durch vier Provinzen den Mekong hinaufführen. Bis vor kurzem wurde in einigen der Gebiete noch gekämpft. „Wir wollen die Menschen ermutigen, friedlich und demokratisch am öffentlichen Leben teilzunehmen“, so der Mönch Yos Hut Khemacaro Dhammayeatra. „Aber wir können den Frieden nicht stellvertretend für sie herstellen.“

Kambodscha trägt bis heute am Erbe der Terrorjahre, die mit dem unerklärten Bombenkrieg der USA Ende der 60er Jahre begannen und mit dem Genozid des Pol- Pot-Regimes ihren schrecklichen Höhepunkt erreichten. „Gewalt ist bis heute etwas Alltägliches im Leben“, klagt Yos Hut, „die politischen Führer machen es den Leuten vor, und die imitieren sie.“ Immer wieder werden auf den Dörfern Anhänger dieser oder jener Partei ermordet, Nichtregierungsorganisationen beklagen die gehäufte Gewalt in der Familie und die blutrünstige, frauenverachtende Berichterstattung der neuen, beinahe allzu freien Presse.

Der in Kambodscha amtskirchenhaft zentralisierte buddhistische Klerus ist an diesem Klima nicht ganz unschuldig. „Er hat dabei versagt, seine Ideen zu verbreiten, weil er daran festhielt, seine Pali-Texte zu verbreiten, ohne ihren Inhalt zu verstehen“, sagt der Belgier Raoul Jenner, der schon lange in Kambodscha lebt und jetzt für die UN-Bildungskampagne zu den Wahlen im Juli zuständig ist.

Die Friedensmärsche werden nach strengen Regeln vorbereitet, wie Yos Hut erläutert. „Gewaltlosigkeit, Neutralität und der Geist der Mitgefühls“ sollen jeden Teilnehmer leiten, das sei der „mittlere Weg, den uns Buddha gezeigt hat“. Die Benutzung von Fahrrädern sowie die Einnahme von Drogen und Alkohol ist ebenso streng untersagt wie das Mitführen von Waffen. Zuwiderhandelnde können vom Marsch ausgeschlossen werden. Jeder Teilnehmer hat vorher ein zweitägiges Training in Gewaltfreiheit zu absolvieren und Moskitonetz, Schlafmatte, Fackel, Wasserflasche und Bade-Sarong selbst mitzubringen. Im Lan-Ka- Tempel gibt es während des Marsches sogar einen Ansprechpartner für die Presse. Beim letzten Mal, erzählt Yos Hut, waren Hunderttausende Menschen dabei. Einige hätten sich nur die Reden angehört, andere seien ein Stück mitgewandert, manche die ganze Strecke. Dörfer, die weit von der Strecke entfernt lagen, schickten Delegationen. Beim ersten Marsch 1992/93 schossen Regierungssoldaten noch auf die Teilnehmer, weil die Mönche auch die illegale Abholzung der Wälder und den Holzschmuggel kritisierten, woran auch regierungsnahe Militärs beteiligt sind. Inzwischen wagen sie es nicht mehr, die Mönche anzugreifen. Manche Soldaten wollen sich sogar anschließen, aber der Kodex sieht auch vor: Um Zivilkleidung wird gebeten.

Nhem Kim Teng, der die „Ökoabteilung“ der Mönche leitet, spricht von „einer Bewegung mit zwei Zielen: Frieden und Umweltschutz“. „40 Prozent der Pagoden in Kambodscha,“ sagt er, „verstehen unsere Ziele und beginnen, aktiv zu werden“. Aber ein Grund für die politische Zurückhaltung wird nicht so leicht auszuräumen sein: „Die Roten Khmer haben immer noch eine Bewegung und eine Armee“, meint Raoul Jenner, „deshalb fürchten viele, sie könnten eines Tages wiederkommen.“