„Am Ende steht das Zuschlagen“

■ Ein Gespräch mit dem Fürsten Metternich in seinem englischen Exil über Erfolg und Mißerfolg seines Kampfes gegen den politisch-sozialen Umsturz

taz: Verhaßt, gestürzt und verjagt – Eure Durchlaucht, wo ist die Sache für Sie schiefgelaufen?

Fürst Metternich: Zunächst lief es doch wie geschmiert. Diesen Trottel von Kaiser, Friedrich Wilhelm III., konnte ich mit Leichtigkeit von einer antimonarchischen Verschwörung überzeugen, nachdem der Student Sand den Dichter Kotzebue ermordet hatte. Auf der Karlsbader Tagung 1819 haben die deutschen Staaten dann erstklassige Zensurgesetze, Bespitzelung von Professoren und Studenten sowie Unterdrückung aller revolutionären Umtriebe beschlossen. Mein System hatte in Deutschland gesiegt.

Was ist der Kerngedanke des Metternichschen Systems?

Mit Volksrepräsentation im modernen Sinne, mit der Preßfreiheit und politischen Vereinen muß jeder Staat zugrunde gehen, der monarchische wie die Republik. Nur Anarchie ist möglich. Dagegen mögen die Gelehrten am Schreibtisch protestieren, soviel sie auch immer wollen. Am Ende der Gelehrsamkeit steht das Zuschlagen.

Als Napoleon Sie als Gesandten nach Paris kommen ließ, galten Sie doch als Mann der freien Sitten. Treitschke nannte Sie den „Adonis der Salons“. Sie wurden sogar der Geliebte von Caroline Murat, der Schwester des Weltbeherrschers.

Glauben Sie denn, das habe ich zum Vergnügen getan? Es ging mir um Erkenntnisse der Methoden Napoleons, mein Vorbild war Talleyrand, der geniale Meister des perfiden Doppelspiels. Mit der Gattin des russischen Botschafters in London, der Gräfin Lieven, habe ich später angebandelt, damit sie mein System am Londoner Hof vertrat, wo sie eine wichtige Rolle spielte.

Was sehen Sie als Ihre größten Erfolge?

Den Sturz Napoleons, der das europäische Gleichgewicht gestört hatte. Und danach mein Kampf gegen den politisch-sozialen Umsturz. Meine Politik führte zur Restauration des alten Europa, als wenn niemals eine Französische Revolution stattgefunden hätte. Woran sind Sie dann aber gescheitert?

Rothschild und die Engländer waren schuld. Die Bankier-Familie wollte meinen Feldzug 1830 gegen Frankreich nicht finanzieren, obwohl sich dort schon wieder die Ideen von 1789 breitmachten. Aber das Unglück hatte schon neun Jahre zuvor begonnen, als der englische Außenminister Canning es auf dem Kongreß in Verona ablehnte, in Spanien zu intervenieren. Die Zeit der Areopage sei beendet, sagte dieser Kretin. Und dann einigte er sich mit Rußland, und sie griffen in den griechisch-türkischen Krieg ein. Damit waren die schöne Heilige Allianz und mein Bündnissystem perdu.

Komisch, daß Sie dann ausgerechnet nach England abgehauen sind, als es Ihnen am 13. März 1848 in Wien zu heiß wurde. Gefällt es Ihnen denn hier so gut?

Ach was. Zwei Jahre sind genug, ich gehe zurück an den Rhein, wo ich herkomme. Das warme englische Bier, das fettige Rindfleisch – ich bin bessere Sachen gewöhnt. Guten Wein und hausgemachten Kaiserschmarrn zum Beispiel.

Könnten Sie sich vorstellen, daß man später einmal einen preiswerten Sekt für die Volksmassen nach Ihnen benennt? Wäre das ein würdiges Denkmal?

Um Gottes Willen. Ich habe stets Champagner bevorzugt, und was die Volksmassen trinken, hat mich nie sonderlich interessiert. Interview: Graf Sotscheck