Ambivalent wie die Geschichte

Bernhard Heisig, Maler: In der Nazizeit diente er in der Waffen-SS, später, in der DDR, gehörte er zu den SED-Getreuen. Darf er auch den Reichstag schmücken?  ■ Aus Berlin Harald Fricke

Die Fronten bröckeln. Nachdem sich der Kunstbeirat des Bundestags für die Teilnahme des ostdeutschen Malers Bernhard Heisig an der künstlerischen Ausgestaltung des Reichstags in Berlin eingesetzt hatte, soll seine Beteiligung nun aber doch noch einmal überprüft werden.

Dabei haben sich die Gründe allerdings auf kuriose Weise gewandelt: War Heisigs Teilnahme zunächst vor allem von ostdeutschen Kulturschaffenden angegriffen worden, weil der Maler zu den staatskonformen Künstlern der DDR gehört hatte, so soll nun ein „Prüfungsauftrag“ wegen Heisigs Mitgliedschaft in der Waffen-SS eingeleitet werden. Das bestätigte der SPD-Bundestagsabgeordnete Thomas Krüger, der dem Kunstbeirat des Bundestages angehört, am Montag abend während einer Diskussion zum Thema „Staat(s) – Kunst – Gesinnung“ im Berliner Abgeordnetenhaus. Sobald die Fakten bekannt sind, will sich der Beirat noch einmal mit Bernhard Heisig befassen.

Über die Fakten muß man indes gar nicht lange streiten. Schon 1989, zur Retrospektive Bernhard Heisigs in der Berlinischen Galerie, war die Mitgliedschaft des 1925 geborenen Leipziger Malers in der Waffen-SS im Katalog erwähnt worden. Nach einer Biographie des Künstlers meldete sich der 16jährige 1941 freiwillig zur Wehrmacht, wurde Anfang 1942 eingezogen und 1943 einer SS-Panzerdivision zugeteilt. Bei Kriegsende geriet er in sowjetische Gefangenschaft, aus der er im Herbst 1945 als Kriegsinvalide entlassen wurde. Aus diesen Gründen hatte sich der Maler vor allem in seinem Frühwerk mit der eigenen Vergangenheit beschäftigt.

Der Berliner Kurator Christoph Tannert, der sich schon im Februar gemeinsam mit 60 UnterstützerInnen dagegen ausgesprochen hatte, Heisigs Bilder in den zukünftigen Bundestag in Berlin zu hängen, spricht angesichts der Biographie von einem „schockierenden Totalopportunismus“.

Bereits im Februar hatte die Initiative, der neben Tannert auch SchriftstellerInnen wie Freya Klier, Jürgen Fuchs oder Katja Lange-Müller angehörten, kritisiert, daß die „Ehrenrettung von Bernhard Heisig durch nachträgliche Würdigung auf neudeutschem Niveau nicht nur einen kunsthistorischen Irrtum, sondern auch eine politische Instinktlosigkeit“ darstelle, wie es in einem offenen Brief hieß. Daraufhin hatte sich der Leipziger Künstler Hartwig Ebersbach an die Spitze einer „Solidaritätsaktion“ für Heisig gestellt. Zu den 40 Persönlichkeiten, die ihn unterstützten, gehörte auch Günter Grass.

Nun erklärte auch Uwe Lehmann-Brauns als kulturpolitischer Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, daß Heisig, der „in zwei deutschen Diktaturen treu gedient“ habe, nicht in den Reichstag gehöre. Die Kritik bedeute keine Ächtung des Künstlers Heisig, sondern verweigere lediglich eine „demokratische Prämierung für die DDR-Vergangenheit“.

Daß eine solche Prämierung bei der Gestaltung des Bundestags weiterhin möglich bleibt, liegt in der vom Kunstbeirat entworfenen Konzeption. Dort heißt es, daß Künstler „die ambivalente Geschichte Deutschlands repäsentieren“ sollen. Dazu könnte man auch die ambivalente Geschichte einer Person wie den Maler Bernhard Heisig zählen.