Explizit, eklig und für alle Ewigkeit

■ Das 3001 widmet diese Woche dem Zombie-Forscher George A. Romero eine Retrospektive

Eigentlich wollte George A. Romero 1968 bloß einen billigen und sehr blutigen Horror-Film drehen. Night Of The Living Dead sollte Zombies zeigen, die sich über unschuldige Menschen hermachen und ihnen die Haut über die Ohren ziehen. Wegen des niedrigen Budgets mußte in Schwarz-weiß gedreht werden und Schokosirup aus dem nächsten Krämerladen als Blut herhalten, mehr sollte da nicht sein.

Damals war Romero noch unerfahren genug, um an sowas wie Eindeutigkeit zu glauben. Doch was an Reaktionen auf diesen Streifen folgte, ließ den Regie-Debütanten aus Pittsburgh spüren, wie weit eigene Intention und Interpretation anderer auseinanderdriften können. 1968, also zu einer Zeit hoher politischer Sensibilität, hatten künstlerische Werke eine Meta-Ebene zu besitzen – mochte die Handlung auch noch so simpel erscheinen. Night Of The Living Dead wurde, wie die meisten von Romeros späteren Filmen, mit Erklärungsansätzen geradezu überhäuft. Neben dem Vorwurf höchster Trivialität seien die meuchelnden Zombies als Metapher auf die aus dem Vietnam-Krieg zurücckehrenden gefallenen Soldaten zu sehen, die den USA nun brutal die eigene Kriegsschuld vor Augen führten. Des weiteren müsse der Tod des farbigen Hauptdarstellers Duane Jones durch die ausnahmslos weißen Untoten als sozialkritisches Statement zum Rassenkonflikt verstanden werden.

Romero nahm derlei Kopflastigkeit eher gelassen zur Kenntnis. Dem Regisseur reichte es völlig, innerhalb des Horror-Films mit den alten Traditionen gebrochen und die Zukunft des Genres maßgeblich beeinflußt zu haben. Und wahrlich: Der 28jährige, der sich in seiner Anfangszeit mit dem Abdrehen von Bier-Reklame-Spots über Wasser hielt, war damals ein Fach-Genie, das das antiquierte Figurenspektrum des klassischen Horror-Films mit Hilfe seiner kannibalischen Wiedergänger direkt ins 20. Jahrhundert kickte.

Dem erotischen Romantizismus eines Draculas setzte Romero die expliziten und ekligen Freßorgien seiner Zombies entgegen. Die mochten vordergründig als genretypische soziale Fremdkörper fungiert haben, doch ab sofort trieben sie ihr Unwesen im Hier und Jetzt. Das Grauen hatte seinen blutigen Weg nachhaltig in die eigenen vier Wände seiner Besucher gefunden. Romero selbst ging es dabei weniger um eine in sich logische Motivation für seine detailreichen Gewaltszenarien, in seiner langjährigen Zusammenarbeit mit der Special-Effect-Koryphäe Tom Savini legte er höchsten Wert auf die Choreographie von Blut und Innereien. Ähnlich wie seine Kollegen Dario Argento, Lucio Fulci oder Sam Raimi war Romero ein Meister des Wie, weniger des Warum. Obwohl wohlwollende Kritiker immer wieder auf die moralischen und sozialkritischen Aspekte – Gentechnik, Atomforschung oder Umweltverschmutzung – hingewiesen haben, erschienen sie damals wie heute als ein nachgereichtes Legitimations-Sponsoring in Sachen Gewaltdarstellung. Die wahren Sozial-Splatter-Filme haben andere gedreht, Stichwort The Texas Chainsaw Massacre, jene verbotene, aber extrem gesellschaftspolitische Ed-Gein-Adaption von Tobe Hooper.

Die meisten der Filme, die Romero zum Horror-Helden gemacht haben, sind trotz aller Profilierungen in Deutschland zum juristischen Gegenstand gegen „Gewaltverherrlichung“geworden und stehen entsprechend auf dem Index – oder sind gänzlich verboten. Dennoch gelten Dawn Of The Dead, besser bekannt als der Zombie-Film schlechthin, und sein Nachfolger Day Of The Dead (Zombie 2) zusammen mit Night Of The Living Dead als die unumstößliche Klassiker-Trilogie, an der sich alle weiteren Slasher zu messen haben. Romero erweist sich dabei als spielerischer Anwender bedeutungsvoller Motive: Sowohl den afrikanischen Voodoo-Mythos als auch die Kritik an einer sich selbst verzehrenden Konsumgesellschaft benutzt er, um eine krasse Form von Unterhaltung umzusetzen.

Mit Ausnahme von Night Of The Living Dead ermöglicht er bei aller kontroversen Gewalttätigkeit einem (schwarzen) Ironieverständnis bereitwillig Eintritt. Oft fallen Tod und Mißgeschick zusammen, seine Zombies sind lahmarschig und besitzen den IQ eines Kleiderständers. Das Darsteller-Team ist zudem nicht mehr als ein durchschaubarer Pfuhl von Gut- und Böse-Menschen, die den Zombies nacheinander zum Opfer fallen. Das bewegendste Moment neben den perfekten wie überzeichneten Special Effects ist die Vortäuschung eines Happy Ends. Fast immer gelingt den Übriggebliebenen die Flucht, doch ist weder gewiß, wohin die Reise geht, noch scheint das eigentliche Problem gelöst. Die Untoten bleiben als ultimative Bedrohung allgegenwärtig.

So erschließt sich der Wirkungsgrad von Romeros Filmen im chronologischen Umkehrschluß: Die bittere Ausweglosigkeit am Ende verwandelt die vorherigen Rettungsmanöver in einen puren, nihilistischen Aktionismus. Das Leben als Sackgasse, in der Gewalt existiert, aber keine Lösung ist.

Die Romero-Retrospektive im 3001 widmet sich neben den Klassikern vor allem den bislang eher unbeachteten Werken des Fachmannes: Außer dem Seuchendrama The Crazies, im Jahr 1973 entstanden, und der 82er Horror-Comic-Hommage Creepshow (mit Stephen King) steht vor allem die deutsche Kinopremiere des introvertierten Vampir-Werks Martin auf dem Programm.

Oliver Rohlf

Night Of The Living Dead: Do, 19. + Fr, 20. + Di 24. März.The Crazies: Sa, 21. März. Martin: So, 22. März. Creepshow: Mo, 23. März. Überraschungsfilm: Mi, 25. März, jeweils 22.30 Uhr