Fiebernde Baustellen

■ Mitten aus dem Sumpf der Großstadt: Die Uraufführung von Simone Schneiders Farce „Malaria“im Malersaal zeigt ein krankes Wende-Berlin

Wörtlich übersetzt heißt Malaria „schlechte Luft“. In Berlin gibt es davon genug. Die Baustellen des „Aufschwungs“haben die Stadt in ein Sumpfgelände verwandelt, aus dem Fieberkrankheit aufsteigt. So sieht es jedenfalls Simone Schneider, deren jüngstes Stück Malaria diese Woche im Malersaal unter der Regie von Anselm Weber uraufgeführt wird.

Bettlägerig sind die Figuren des Stücks nicht: Sie begegnen einander auf einer Baustelle und den Treppen eines baufälligen Wohnhauses in Berlin-Mitte. Isa, die Tochter des West-Investors Kettling, der das Gebäude saniert, verliebt sich in einen der letzten Mieter, den Ostler Dionysos. Der aber will keine Frau, solange seine Mutter noch lebt. Auch Kettlings Liebe zu seiner Tochter ist nicht rein platonisch. Und vielleicht sind Isa und Dionysos sogar Geschwister... Wer an Ödipus denkt, liegt so falsch nicht. Simone Schneider bezeichnet ihr Stück als „komischen Versuch, auf der Folie eines antiken Dramas ein Alltagspoem zu schreiben“.

Malaria ist das dritte Stück der 35jährigen Dramatikerin. Ihrem ersten, Nationalgalerie, uraufgeführt 1994 in den Münchner Kammerspielen, wurde ein Handke-Plagiatsvorwurf gemacht. „Ich war damals nicht Herr meiner Mittel“, urteilt sie heute selbst. Eineinhalb Jahre habe sie gebraucht, um nach dem Mißerfolg wieder schreiben zu können. Zweieinhalb Jahre hat die Arbeit an Malaria gedauert, die mit dem ersten Drama bricht: „Ich habe eine strengere, metaphorische Form gefunden.“

Tatsächlich bordet Malaria über vor Metaphern und Zitaten: Nicht nur die griechische Götterwelt wird heraufbeschworen, sondern auch Marx und Lenin, Wilhelm Tell, biblische Motive, Goldgräberstimmung, BSE und Yogi-Tee. Häufig schimmert distanzierende Ironie durch, und dennoch: An der Bilderflut droht das Drama zu ertrinken.

Dabei finden sich wunderbar poetische Passagen, kleine Gedanken, die durch ihre Formulierung bestechen. „Arbeitslose liegen wie Seehunde auf einer Sandbank“, träumt Michel. Und die arbeitslose Mania sieht die Baukräne in Berlin vielleicht als das, was sie wirklich sind: „Stehen wie die King Kongs in der Stadt, die Riesengorillas. Irgendwann packen sie mich.“

Mit Mania und Michel, denen die Vertreibung aus dem Sanierungsobjekt droht, tritt ein weiteres Ost-West-Pärchen in die Handlung. Jede der Figuren bewältigt die Veränderungen, die am Treppenhaus sichtbar werden, auf seine Weise; die Grenzen zwischen persönlichem und gesellschaftlichem Drama verschwimmen. „Es geht mir um die Symptome der Beschleunigung und des Schwindels in einer Welt, die sich radikal, in rasantem Tempo umorientiert“, sagt die in der Hauptstadt lebende Autorin. Auch wenn das überfrachtete Stück kein Meisterwerk ist: Seine souverän moderne, doch anmutige Sprache entschädigt für manche inhaltlichen Platitüden und dramaturgischen Schwächen.

Sabine Claus

Premiere: Donnerstag, 19. März, 20 Uhr, Malersaal, DSH