Gratis zur Margarine dazu

■ Mit vertracktem Witz gegen eierschalenfarbene Verdrängung: Simon E. Wassermann

Elfenbeinweiß sind die Plastiken lackiert, die da vor einem lindblauem Streifen an der Wand auf Sockeln stehen. Eine eher konventionelle Präsentation von Figuren, die etwas wie Laubsägearbeiten aussehen. Das ist durchaus Absicht, handeln die Arbeiten von Simon E. Wassermann doch in vieler Hinsicht vom Aufwachsen in den fünfziger Jahren, jener Zeit, die sich so ordentlich gab und so stark über freundlich gestrichene Verdrängung funktionierte.

In Elfenbeinweiß, ganz wie die Schlafzimmergarnituren, Unterhosen und Eierbecher jener Jahre, leuchtet auch die Arbeit, die wie ein Ausblick durch ein Tor auf einen Wald voller netter Bambis aussieht: „Verschwiegener Ort vor der Kindheit“ist der Titel, und die Figuren entpuppen sich als drei Gehenkte. Vorbild für die seltsame Perspektiven bevorzugenden Arbeiten Simon E. Wassermanns sind jene ebenfalls elfenbeinblassen Plastikfigürchen, die es einst gratis zur Margarine mitgab. Neben ihrem ernsten Hintergrund verführen die Figurinen des Hamburger Künstlers durch magrittehafte Kombinatorik und spontanen Witz. Dem „Sucher“wird der Blindenstock zum Suchgerät – oder hat der Flaneur den Spazierstock so gut abgerichtet, daß dieser schon von alleine die Ziele zeigt? Beim „Träumenden Hund“scheint die Dressur gelungen: Er macht „platz“wie befohlen und gibt ihn dem auratischen Bild seines Frauchens tief in seinem Hirn. Und wer sagt eigentlich, daß Schweine nicht doch mit Perlen etwas anfangen können? „Der erste Gedanke“heißt die Arbeit, in der das schablonierte Borstentier sich mit einer platonischen Kugel konfrontiert.

Wassermanns Kunst wirft ständig neue Fragen auf, ernste und weniger ernste. Welches Geheimnis wird die Untersuchung des Systems aus drei Sphären offenbaren? Wird es etwas sein, was den Titel „Alles wird Gut“rechtfertigt? Warum ist der Ölberg heilig und der Butterberg vom Teufel? Oder war es andersherum? Sind Bestecke Waffen oder Waffen Bestecke? Warum heißt das Bild eines Malers an der Staffelei ausgerechnet „Photographie“? Und warum tölpelt ein ägyptisch tiergesichtiger Gott so peinlich herum, daß das Porzellan gleich zu Bruch gehen wird?

Im Aufbrechen vorgefundener Motive wird ein Topos, ein Motiv, eine Gedankenkombination in eine zeichenhafte Form gebracht. Durch die beigegebene Textzeile wird sie zu einem dreidimensionalen Emblem, einem Sinnzeichen. Wie bei der traditionellen Emblematik ist die eigentliche Leistung weder das Bildobjekt noch der Text, sondern das dritte, was sich aus der Kombination von beidem ergibt – und zwar im Kopf des Nutzers.

Simon E. Wassermanns Kunst voller biografischer Anspielungen und vertracktem Witz glaubt an die Mitarbeit des Betrachters und hofft, durch die Konkretisierung der Widersprüche die Welt ein kleines bißchen komplizierter machen zu können, damit die gräßlichen Vereinfacher mit ihrem Schwert nicht so schnell vorwärtskommen.

Hajo Schiff

Galerie Jensen, Eppendorfer Baum 39 A, Mi – Fr 15 – 18, Sa 11 – 14 Uhr, verlängert bis Ende des Monats