Rot-Grüne Mehrheit ohne Kandidaten

■ Drei von vier Berlinern sind unzufrieden mit der Großen Koalition. Würde am nächsten Sonntag gewählt, käme die SPD auf 36 und Bündnis 90/Die Grünen auf 16 Prozent. Zwei von drei Wählern aber fällt kein g

Würde am nächsten Sonntag in Berlin gewählt, wäre die SPD mit insgesamt 36 Prozent der Wählerstimmen in beiden Stadthälften die stärkste Partei. Die Bündnisgrünen erhielten rund 16 Prozent. Beide Parteien zusammen hätten damit eine Mehrheit der Stimmen. Das ist das Ergebnis einer Erhebung von Infratest dimap im Auftrag von Tagesspiegel und SFB. Die CDU käme demnach nur auf 25 Prozent. Auch die PDS ist in der Wählergunst mittlerweile abgerutscht. Sie käme nach der Umfrage berlinweit auf 13 Prozent und wäre auch in Ostberlin hinter der SPD nur noch zweitstärkste Partei.

Eine Mehrheit für Rot-Grün ergibt sich auch bei der Frage nach dem bevorzugten Regierungsbündnis. Nur 21 Prozent der Befragten sprachen sich für eine Fortsetzung der Großen Koalition für den Fall aus, daß bei den nächsten Wahlen keine Partei die absolute Mehrheit erzielt. Knapp 40 Prozent würden dagegen eine rot- grüne Koalition befürworten.

Überbewerten aber dürfen die Sozialdemokraten, die bei der letzten Wahl im Herbst 1995 nur 25 Prozent der Stimmen bekamen, den Zuwachs nicht. Insgesamt nämlich sind die Berliner mehr als unzufrieden mit der Arbeit der Großen Koalition – also auch mit dem sozialdemokratischen Personal. Nur 22 Prozent der Befragten äußerten sich zufrieden, 48 Prozent sind „weniger zufrieden“ und 25 Prozent „gar nicht zufrieden“ mit dem Senat. Die Kritik reicht dabei weit in die Reihen der Anhänger beider Koalitionspartner hinein. Bei den CDU-Sympathisanten ist jeder zweite unzufrieden, bei der SPD sind es sogar drei von vier Genossen – ein Wert, der ebenso hoch ist wie bei Anhängern der Oppositionsparteien.

Ausdruck des Mißvergnügens an der Großen Koalition sind auch die miserablen Noten für die Berliner Politiker. Mit „gut“ bewertet wird kein einziges Senatsmitglied. Die beste Note erzielt noch die Arbeitssenatorin Christine Bergmann (SPD) mit dem Wert 3,1, knapp gefolgt vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) mit der Note 3,2. Am schlechtesten schneiden Wirtschaftssenator Elmar Pieroth, Bausenator Jürgen Klemann, Umweltsenator Peter Strieder (alle 3,7) und Kultursenator Peter Radunski (3,8) ab.

Große Probleme für die Sozialdemokraten offenbart die Infratest-Erhebung auch bei der Frage nach einem Bürgermeisterkandidaten. Die meisten Stimmen erhält noch der ehemalige Regierende Bürgermeister Momper mit 10 Prozent. Es folgt der SPD-Fraktionsvorsitzende Klaus Böger mit nur 5 Prozent. Er hat vor allem ein Bekanntheitsproblem: Zwei von drei Berlinern können Böger keine Noten geben, weil er ihnen nicht oder zuwenig bekannt ist. Miserabel schneidet Umweltsenator Peter Strieder ab, dem ebenfalls Ambitionen für eine Kandidatur nachgesagt werden. Nur 1 Prozent der Berliner kann sich Strieder als Spitzenkandidaten der SPD vorstellen.

Weit besser dran ist der Regierende Bürgermeister: Jeder dritte Berliner spricht sich dafür aus, daß Eberhard Diepgen wieder als Spitzenkandidat seiner Partei antreten soll. Gerd Nowakowski