Der Regimekritiker Faradsch Sarkuhi meldet sich im Iran zu Wort

■ Zum ersten Mal seit seiner Verhaftung 1996 gibt der Schriftsteller einer iranischen Tageszeitung ein Interview

Berlin (taz) – Faradsch Sarkuhi (50) hat sich bei seinem iranischen Publikum zurückgemeldet. Sieben Wochen nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis gab er einer iranischen Zeitung ein Interview. In drei Teilen veröffentlich das Blatt Dschameah (Gesellschaft) das Gespräch, die taz druckt heute Auszüge.

In dem Interview beklagt sich der Schriftsteller, daß ihm die iranischen Behörden einen Reisepaß verweigern – ein Besuch bei seiner in Berlin lebenden Familie ist damit unmöglich. Aber Sarkuhi berichtet auch über den rigiden Umgang der Teheraner Hardliner mit kritischen Literaten: „Sie ertragen keine andere Stimme als die eigene. Sie versuchen, Schriftsteller zum Schweigen zu bringen (...), bis hin zur Zerstörung ihrer Persönlichkeit, zur physischen Vernichtung.“

Als Reaktion wandten sich gestern 50 iranische Kollegen Sarkuhis an Irans Präsidenten Mohammad Chatami. In einem Brief bitten sie ihn, Sarkuhi die Ausreise zu ermöglichen. Und sie deuten an, daß auch sie Geschichten von Repression und Unterdrückung zu erzählen haben: „Wir beabsichtigen vorläufig nicht darüber zu sprechen, was den Schriftstellern in den letzten Jahren widerfahren ist...“

Einen ähnlichen Bittbrief hatten in der vergangenen Woche deutsche Schriftsteller, Journalisten und Orientalisten verfaßt, darunter Günter Grass, Martin Walser, Christa Wolf, Annemarie Schimmel und Sabine Christiansen. Das Schreiben, für das die taz und Reporter ohne Grenzen Unterschriften sammelten, gelangte am vergangenen Donnerstag nach Teheran. Seit gestern ist es öffentlich. An Chatami gerichtet heißt es darin: „Sie gelten als Hoffnungsträger der iranischen Intellektuellen. Daher bitten wir Sie: Setzen Sie sich persönlich dafür ein, daß Faradsch Sarkuhi möglichst bald seine Familie besuchen darf.“ Eine Antwort steht noch aus.

Am Telefon zeigte sich Sarkuhi gestern gegenüber der taz erfreut über das Engagement seiner Kollegen. Ähnliche Initiativen werden in Frankreich, Großbritannien und Schweden vorbereitet.

Im Bonner Außenministerium dürften Interview und Briefe dagegen keine Begeisterung auslösen. Im Hause Kinkel setzt man in dem Fall wie eh und je auf stille Diplomatie. Gestern wurde zumindest bestätigt, daß demnächst eine Gruppe hochrangiger Beamter des Auswärtigen Amtes nach Teheran fliegen werde. Im Iran heißt es, der Besuch finde im April statt. Ob dann auch über Faradsch Sarkuhi geredet werden wird, ist nicht bekannt.

Thomas Dreger Tagesthema Seite 3