Lustwandelndes Direkttrostpflaster

■ Sigi Zimmerschied eröffnet mit „Danemlem“zielsicher das 12. Kabarettfestival

Als dickes katholisches Kind hat er es nicht leicht gehabt, das glaubt man Sigi Zimmerschied sofort. Weihnachten anno 1960 war's, als der böse Bub zum Entsetzen der Verwandtschaft gleich die komplette Krippenbesetzung mit Lametta am Tannenbaum gehenkt hat. Und er schaut so schön verzweifelt aus, wenn er am Rand der Zuschauerreihen steht, die Hände gefaltet, den breiten Mund zur verrunzelten Grimasse verzogen und die aufgerissenen Äuglein gen Himmel gerichtet, daß man ihm am liebsten ein norddeutsches „Wein doch nicht, Fischgesicht“zurufen möchte.

Doch die psychologische Aufbauarbeit besorgt der Passauer Kabarettist lieber alleine, und zwar in dem ihm angestammten niederbayerischen Dialekt. Sein Programm Danemlem, mit dem er am Mittwoch das 12. Kabarett-Festival auf Kampnagel eröffnete, ist ein großes weiches Trostpflaster für ihn selbst und für alle, die sich auch irgendwo „daneben leben“sehen. All die für einen bayerischen Jungen üblichen traumatischen Erfahrungen – von herrschsüchtigen Tanten über kriegswütende Onkel bis zum ökumenischen Fruchtsäftemixen in der Kirchengemeinde – haben ihm nicht schaden können. Besser noch, sie haben ihn schnurstracks dahin geführt, wo er heute steht: vor und neben die Kabarett-Bühne. Die ist zwar samt Rednerpult unübersehbar vorhanden, doch Zimmerschied verweigert sich ihr konsequent. Er lustwandelt durch das Publikum, erzählt Autobiographisches, gleitet nahtlos zur Talkshow-Parodie über oder veräppelt als Interessenvertreter der Milchwirtschaft den Kulturauftrieb in der Provinz. Manchmal skandiert er sich von einer Reihe zur nächsten: „Schalterbeamter und Teufelsgesicht“, dazwischen gibt es für Sigi Zimmerschied nichts. Zu welcher Seite er sich selbst zählt, daran läßt er keinen Zweifel.

Die Vorteile des direkten Kontaktes mit dem Publikum hat der mit mehreren Preisen ausgezeichnete Künstler zwar nicht als erster entdeckt. Aber ihm paßt diese Form besonders gut auf den Leib. Sein breites mimisches Repertoire und das gekonnte Spiel mit dem imaginären Gegenüber aus nächster Nähe bewundern zu dürfen, ist ein Geschenk. Zumal Zimmerschied sprachlich keine Gnade walten lassen mag, nur weil er bei den Fischgesichtern auftritt. „Denkens nicht drüber nach, lassen Sie sich das in der Pause erklären“, kommentiert er zutage tretende Verständnisprobleme.

Das Kabarett ist halt ein Risiko und muß es auch bleiben, Teufel aber auch.

Barbora Paluskova

noch heute und morgen, 20.30 Uhr, Kampnagel, k6