Nicht genug Noise

■ Schweigsamer Rap: Foxy Brown im Pier 2

Die US-Rapperin Foxy Brown ist 19 Jahre alt. Das ist knapp zwei Jahre älter als Blümchen, und im Zeitalter von Hanson und Aaron Carter muß sie schon als Pop-Veteranin gelten. Sie kennt die medizinischen und umgangssprachlichen Bezeichnungen der weiblichen Geschlechtsmerkmale genau und rapt gerne darüber, was Mann damit machen kann, soll oder darf. Deshalb klingen ihre Nummern im Rundfunk-Edit immer merkwürdig abgehackt: Ganze Satzteile werden von der plattenfirmeninternen Zensur ausgeblendet, weil jüngere Menschen zuhören könnten. Weil sie nicht nur eine gute Rapperin, sondern auch eine gute Ausseherin ist, trägt sie zu ihren schlüpfrigen Texten ein entsprechendes Outfit, und bezeichnet das Endresultat als Feminismus. Man nimmt es ihr ab, denn ihr Auftreten ist eindeutig. Nein heißt bei ihr nicht einfach nur nein, sondern „motherfuckin' no, motherfucker!“

Am Dienstag begann ihre Deutschlandtournee in Berlin. Das war dem ZDF-Magazin „heute nacht“einen kurzen Bericht wert, in dem Foxy Brown erzählte, sie wäre viel lieber Schauspielerin oder Model. Zwischen Bericht und Wetterkarte sagte die Moderatorin süffisant: „Jetzt aber genug gerapt.“Das schien Brown sich zu Herzen genommen zu haben, denn am Mittwoch kam sie während ihres eigenen Konzertes im Pier 2 kaum zu Wort. Dafür sorgte die männliche Posse, die sie mitgebracht hatte. Der DJ und der Zusatz-MC nutzten das Mikrofon weitaus mehr als sie, und sie schien nichts dagegen zu haben.

Foxy Brown inszenierte sich als Diva, die für jede kleine Geste beklatscht wurde; sei es das Abwerfen des Kunstfell-Mantels oder das Nippen am Mineralwasserbecher. Erwischten ihre Stimmbänder doch mal das Mikrofon, war das Ergebnis dürftig. Die Fans waren verwirrt. „Auf CD singt sie besser!“fand ein Mädchen. Ihre Freundin witterte Finsteres: „Auf CD singt die bestimmt gar nicht selbst!“Hat sie auch nicht nötig, wenn sie so lautstarke Mit-Rapper zur Seite hat. Die forderten zum Finale das Publikum erfolgreich auf, trotz Ordnern die Bühne zu entern und mitzuhüpfen: „Chill, security! Let them up!“Ansonsten war jeder zweite Satz: „Bremen, make some noise!“Zum Schluß hatte das geduldige Bremen allerdings keine Lust mehr zum Krachmachen und entließ Foxy & Co ohne Zugabe.

Interessanter als das Konzert, sieht man von der hervorragenden belgischen Vorgruppe „Crazy Alley“und den beeindruckenden Scratch-Künsten ihres DJs ab, war da der Heimweg. Weil der Straßenbahnfahrer der Linie 3 Reißaus vor den anstürmenden Massen nehmen wollte, zog ein zivilcouragierter Foxy Brown-Fan die Notbremse. Die Polizei war schnell zur Stelle und kassierte den sympathischen Störenfried ein.

Seine Rechtfertigung: „Meine Freunde wollten noch mit! Die haben morgen Schule!“Dank ihm bekamen seine Freunde und etliche Mitläufer die Bahn, er selbst mußte mit dem Streifenwagen vorlieb nehmen.

Andreas Neuenkirchen