"Markt an Informatikern ist leer"

■ Jörg Menno Harms, Deutschland-Chef des Computerherstellers Hewlett Packard, über mangelnde Technikbegeisterung und die Probleme der Informationsbranche, Arbeitskräfte zu finden

taz: Die Informationsbranche klagt über fehlende Fachkräfte. Wie viele neue Leute stellen Sie ein?

Jörg Menno Harms: Wir wollen dieses Jahr insgesamt rund 500 Leute einstellen. Es wird immer schwieriger, gute Kräfte zu finden. Den Kollegen von anderen Unternehmen geht es ähnlich. Wir könnten in Deutschland 20.000 Arbeitsplätze besetzen, aber der Markt ist leergefegt. Es fehlen Informatiker. Auf jeden Absolventen kommen hier drei Stellenangebote. Es fehlen im übrigen auch Ingenieure.

Vor fünf, sechs Jahren hieß es, die Arbeitsmarktchancen für Ingenieure seien schlecht. Auch von arbeitslosen Informatikern war damals die Rede. Ist der Bedarf denn plötzlich so gestiegen?

Der Bedarf an diesen Fachkräften ist größer als früher. Weil der Markt der Informatiker leergefegt ist, gehen viele Unternehmen beispielsweise heute schon dazu über, Seiteneinsteiger zu testen. Wir testen zum Beispiel Physiker, Chemiker, die Informatik-Background haben. Wenn sie zu uns passen, sind die Chancen besser als vor zwei, drei Jahren.

Der neue Bedarf hat sich bei den Studenten offenbar noch nicht herumgesprochen.

Die Ingenieurstechnik wurde vor einigen Jahren nicht so oft gewählt von den Studienanfängern, vielleicht deshalb, weil wir vor sechs Jahren mal eine Rezession hatten. Das ist ein Schweinezyklus: Die Masse geht in ein aussichtsreiches Fach, und verläßt es dann wieder, wenn die Arbeitsmarktlage schlechter ist. Dabei ist es wichtig, gerade dann durchzuhalten.

Die Studentenzahlen sinken weiter in der Informatik, obgleich die Leute dort glänzende Jobaussichten haben. Nur die Hälfte der 11.000 Informatik-Studienplätze sind besetzt.

Man muß konstatieren, daß in den letzten Jahren nicht besonders viel Begeisterung für Technik an den Schulen geweckt wurde. Warum besteht in den Schulen keine Begeisterung für die Informationstechnik, aber auch für die Ingenieurstechnik? Sie können heutzutage ja die Mathematik in den Schulen zügig abwählen. Sie können sie abwählen zu einer Zeit, wo man sich noch gar nicht darüber im klaren ist, was man später einmal werden will.

Ist der Mathe-Unterricht an den Schulen zu schlecht?

Nein, das würde ich nicht sagen. Es fehlt einfach die Begeisterung für Naturwissenschaften, für Technik, Physik und unternehmerisches Engagement. Ich finde heute mehr Menschen, die sich für geisteswissenschaftliche oder betriebswissenschaftliche Dinge interessieren als für technische Dinge.

War das früher anders?

Das war früher nicht anders. Das war aber früher nicht so dramatisch wichtig wie heute. Unser Wohlstand wird in Zukunft noch deutlicher abhängig sein von der Wertschöpfung, die durch die neuen Technologien bestimmt wird.

Die Zwölf-, Dreizehnjährigen sind doch ziemlich fit am Computer.

Das ist die nächste Generation, die jetzt heranwächst, die sogenannte net-generation. Um die ist mir in der Tat nicht bange. Da werden wir tatsächlich später in der Ausbildung eine andere Generation sehen, die sich mit PCs auskennt. Wenn sie aus Familien und Schulen kommen, wo Eltern und Lehrer Computern gegenüber aufgeschlossen waren.

Der Ruf nach mehr Spezialisten in der Informationstechnologie könnte auch jetzt nur der Kamm einer Welle sein, die in wenigen Jahren wieder abebbt.

Selbstverständlich ist eine Sättigung möglich. Wir reden ja von einer lebenden, atmenden Industrie und da kommt es immer wieder zu Rezessionen. Interview: Barbara Dribbusch