Eklat in Prozeß gegen NS-Kollaborateur Papon

■ Der Angeklagte verläßt während Plädoyers des Staatsanwaltes den Gerichtssaal

Bordeaux (AFP) – Im Prozeß gegen den früheren französischen Haushaltsminister und Nazi-Kollaborateur Maurice Papon ist es gestern vor dem Schwurgericht Bordeaux zu einem Eklat gekommen. Der 87jährige Angeklagte verließ während des Plädoyers von Staatsanwalt Henri Desclaux mit den Worten „das ist zuviel“ den Gerichtssaal. Der Prozeß wurde eine halbe Stunde unterbrochen. Der frühere gaullistische Minister muß sich seit Anfang Oktober wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor Gericht verantworten. Während der deutschen Besatzung soll er als Beamter des Vichy-Regimes für den Abtransport von mehr als 1.500 Juden in Konzentrationslager verantwortlich gewesen sein.

Bei einer Verurteilung wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit droht dem ehemaligen Generalsekretär der Präfektur von Bordeaux eine lebenslange Gefängnisstrafe. Den Wutausbruch löste Staatsanwalt Desclaux mit der Bemerkung aus, die Papon unterstellte „Abteilung für Judenfragen“ der Präfektur habe im Juli 1942 wenige Tage nach einer Razzia „77.049 Franc und einige Edelsteine erhalten. Dies war ohne Zweifel der Preis, den die Juden für ihre Deportation zahlen mußten.“ Papon verließ daraufhin den Saal. Bei seiner Rückkehr bat er Richter und Geschworene um Entschuldigung. „Ich bin überzeugt, daß Sie für die Gründe meiner Geste Verständnis haben.“

In dem Plädoyer kam der Staatsanwalt zu dem Schluß, daß es an Papons Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit „keinen Zweifel“ gebe. „Dies kann auch nicht durch Befehl oder Zwang entschuldigt werden. Es war eine reine Folge seines Diensteifers.“ Das einzige Ziel des Angeklagten sei es gewesen, „immer und immer wieder zu kollaborieren“. Zum Strafmaß wollte sich Desclaux erst am Ende seines Plädoyers gestern abend äußern. Das Urteil wird vermutlich am Freitag nächster Woche verkündet, nachdem der Angeklagte das letzte Wort hatte.