■ Der Euro – attraktiv durch Bedrohungsszenarien
: Herrliche Aussichten

Der Euro wird uns Europäern rosige Zeiten bescheren. Das versichern uns unsere Regierungen und Manager mittlerweile so oft, daß wir es schon deshalb zu glauben beginnen, weil wir unsere Ruhe vor dem Thema haben wollen. Allerdings kann uns niemand genau darlegen, warum und wieso die Einheitswährung gleichmäßig allen Gutes bringen wird. Bis vor drei Jahren galt das Floaten von Wechselkursen oft als allerletztes Heilmittel für eine darniederliegende Nationalwirtschaft, die damit gegenüber den Preisen im Ausland konkurrenzfähig blieb. Was nur bedeuten kann, daß sich über die festen Wechselkurse nur die konkurrenzstarken Länder und ihre Industrien freuen können, die schwachen aber Ängste haben müssen.

Daß dennoch mehr als zwei Drittel der EU-Nationen wie verrückt auf den Euro drängen, muß also Gründe haben, die sich untereinander sehr unterscheiden. Sie sind gar nicht so schwer zu finden — werden aber von den euphorischen Euro-Promotern regelmäßig zugedeckt.

Bis 1989 wollte niemand eine Einheitswährung. Dann kam der Mauerfall und damit die Angst vor einem alles dominierenden deutschen Koloß im Zentrum Europas. Die Franzosen verlangten nun plötzlich die Einheitswährung, nach dem Motto: Wo es keine Mark mehr gibt, profitieren entweder alle vom gemeisamen Geld, oder es gibt keine Vorteile.

Die Deutschen wollten die gemeinsame Währung natürlich ganz und gar nicht, aber Kanzler Kohl mußte sie versprechen, sonst hätte er seine Art der Wiedervereinigung nicht bekommen. Die anderen Länder standen der Sache auch noch nach Maastricht lange Zeit eher völlig gleichgültig bis ablehnend gegenüber — sie fanden nirgendwo Vorteile für sich. Bis ihren Regierungen ein Riesenlicht aufging: Wenn man den Menschen in ihren Ländern nur genügend Katastrophenszenarien im Falle des Nichtbeitritts zum Euro an die Wand malen könnte, würden die Bürger wohl oder übel zusätzliche Steuern und gleichzeitig den Abbau bisher verbriefter, aber kostenträchtiger sozialer Rechte zugestehen. Die Sanierung, die sonst niemals durchzusetzen gewesen wäre, schien möglich über die Furcht eines Ausschlusses von Europa. Italien und Spanien wurden die Musterländer dieser Nutzung des Euro-Gedankens.

Natürlich wird die Seifenblase spätestens dann platzen, wenn alle Aspiranten ihren festen Platz haben. Dann nämlich werden die Bürger der einzelnen Länder die Vorteile einfordern, die ihnen versprochen wurden: Die Deutschen wollen nichts mehr in den Gemeinschaftsfonds zahlen, die Franzosen sich über die Währungspolitik sanieren, die Italiener soviel verdienen wie die Deutschen.

Vielleicht ist die Entscheidung, die Euro-Münzen von Land zu Land verschieden zu prägen, gar nicht so schlecht. Auf diese Weise kann man schnell wieder zur eigenen Währung zurück. Eduardo De Biase

Der Autor ist Währungsspezialist beim Instituto bancario San Paolo