Die Skepsis der Polen

Polen bereitet sich auf den EU-Beitritt vor. Mit der verrückten Währungsunion aber wollen die meisten Leute nichts zu tun haben  ■ Aus Warschau Gabriele Lesser

„Die spinnen, die Deutschen“, ist der Taxifahrer überzeugt und lenkt seinen Mercedes durch die Warschauer Innenstadt, „werfen ihre gute Deutsche Mark weg für irgend so 'nen Euro oder so. Wenn es der Dollar wäre, das würde ich ja noch verstehen, aber Euro? Andererseits: Die Deutsche denken sich alle 50 Jahre irgendeine Katastrophe aus, erst Marx, dann Hitler, jetzt Euro. Na, ich hab' meine Mark alle schon in Dollar getauscht. Wenn es diesmal kracht, verliere ich wenigstens nicht mein ganzes Geld.“

In Polen werden die Wechselkurse von Mark und Dollar sehr genau verfolgt. In den großen Städten wie Danzig, Posen, Lodsch oder Warschau kennt fast jeder den aktuellen Tageskurs. Der Zloty eignet sich bei einer Inflationsrate von rund 13 Prozent nicht zum Sparen. Also wird das Geld in hochverzinslichen Staatsobligationen oder Fremdwährungen angelegt.

Da der Dollar im letzten Jahr gegenüber dem Zloty 20 Prozent zugelegt hat, die Mark aber nur sieben, werden inzwischen fast alle größeren Transaktionen in Dollar abgewickelt. Selbst Mietverträge auf D-Mark-Basis wurden abgeändert. Die schlechte Entwicklung der D-Mark ist für die meisten Polen ein Zeichen, daß es mit der Wirtschaft Deutschlands bergab geht. Doch die Flucht in den Euro werde alles nur noch schlimmer machen und möglicherweise auch noch die Nachbarn mitreißen.

Im „Informationszentrum für die Integration Europas“ stapeln sich die Broschüren und Briefsendungen. „Pro Monat gehen hier 400, manchmal 500 und noch mehr Anfragen ein“, erläutert Anita Slotwinska vom Informationszentrum. „Wir beantworten alle individuell, verschicken Dokumente wie den Maastrichter Vertrag oder das EU-Weißbuch der Regierung. Der absolute Renner der letzten Wochen ist die Broschüre über den Euro.“ Das rosarote Heft informiert auf 24 Seiten über die Geschichte des Europäischen Währungssystems, den Zeitplan für die Einführung des Euro und die möglichen Konsequenzen für Polen. Auf dem Titelbild prangt ein 500-Euro-Schein. Er wirkt allerdings, als habe der Erfinder dieser Kunstwährung ein bißchen tief ins Glas geguckt und den Büroturm als derangierte Schwangere gesehen. Die beiden Nullen eiern haltlos ins Leere. Und die Fünf rutscht schwer und kopfüber hinterher. Anita Slotwinska hebt abwehrend die Hände: „Das hat nichts mit Euro-Skeptizismus zu tun! Ein Druckfehler, ein Maleur, nichts weiter.“

Zwei Stockwerke höher aber stellt Agata Chróśeicka, die Pressesprecherin des Komitees, unverblümt fest: „Manchmal hat es Vorteile, noch nicht Mitglied der Europäischen Union zu sein. Wenn das Experiment mit dem Euro schief geht, haben wir wenigstens keine Milliarden Zloty in den Sand gesetzt. Und wenn es klappt, können wir bei unserem Einstieg alle Anfangsfehler vermeiden.“ Sie verweist auf Dänemark, Schweden und Großbritannien, die explizit erklärt haben, bei der ersten Runde noch nicht dabeisein zu wollen. „Das sind reiche Länder, die die Konvergenzkriterien für die Währungsunion erfüllen. Und trotzdem wollen sie noch nicht mitmachen. Sie warten lieber ab, wie sich das Experiment entwickelt. Das Risiko, daß das Abenteuer Euro eine Riesenpleite wird, ist immerhin nicht ganz ausgeschlossen.“

Dennoch bereitet sich Polen nicht nur intensiv auf den Beitritt zur Europäischen Union vor, sondern versucht auch, die Stabilitätskriterien für den Euro so schnell wie möglich zu erreichen. Beim Haushaltsdefizit und der Staatsverschuldung würde Polen die Beitrittskriterien bereits heute erfüllen. Zum ersten Mal seit ein paar Jahren konnte Polen in diesem Januar sogar einen Haushaltsüberschuß verzeichnen. Das Problem ist die Inflationsrate von zur Zeit 13 Prozent. Erlaubt sind laut Maastricht nur 1,5 bis zwei Prozent. Auch Diskont- und Lombardsatz liegen mit 24,5 und 27 Prozent noch sehr hoch.

Doch die Angst vor einer Überhitzung des Marktes – immerhin wächst das Bruttosozialprodukt seit einigen Jahren um fünf bis sechs Prozent jährlich – läßt es ratsam erscheinen, die Zinssätze nicht abzusenken. Wenn die Kredite nämlich billiger würden, könnte die Inflationsrate wieder steigen. Sollte alles gut gehen und der Euro sich tatsächlich bewähren, will Polen im Jahre 2006 für die Währungsunion fit sein.