Denn MV kann rechnen

■ Nach dem 2:0 gegen Slavia Prag und dem Erreichen des Halbfinales im Cup der Pokalsieger fühlt sich der VfB Stuttgart gar nicht als Sieger

Stuttgart (taz) – Sehen so Sieger aus? Jemand, der gerade den Einzug ins Halbfinale des Europapokals der Pokalsieger mit dem VfB Stuttgart vollbrachte? Als sich Frank Verlaat nach dem 2:0 gegen Slavia Prag der Presse gegenübersah, strahlte sein Gesicht keine überschwengliche Freude aus. Es folgten: keine Champagner- Laune, keine Worte über Fußballer-Glück. Im Gegenteil: Einen Grund zum Feiern gebe es nicht, sagte der VfB-Kapitän kategorisch. Erneut habe sein Team „spielerisch nicht überzeugen können“, so die Selbstkritik des Holländers. Die Frustration saß tief: „Ich hatte bisher noch kein Europacup-Gefühl.“ Das stimmte den Libero nachdenklich, denn „normalerweise ist so ein Viertelfinale schon etwas Besonderes“. Nur 20.000 Zuschauer im Daimler-Stadion nahmen der Partie das Besondere und ließen die Veranstaltung zur Belanglosigkeit verkommen. „Selbst in der Bundesliga ist mehr Stimmung“, moserte Verlaat.

Dabei hatten sich die Verantwortlichen des Vereins für Bewegungsspiele redlich bemüht, um dieses Rückspiel schmackhaft zu gestalten. Verlaat selbst warb im Hörfunk („Wir kämpfen, ihr kommt!“), verkündet wurde die Botschaft „Fans, jetzt gilt's!“ via gechartertem Flugzeug, und zu guter Letzt hatte die VfB-Abteilung für Zuschauer-Stimuli noch ein besonderes Bonbon im Sauerbier-Angebot: Für Altherrenmannschaften gab's eine Stadionwurst gratis.

Die Werbestrategen aber blieben ungehört. „Wenn sie einen Namen präsentieren können, kriegen sie auch die Bude voll“, meinte Generaldirektor Ulrich Schäfer nach der ungehörten Botschaft. Den hatten weder Slavia Prag, die vorherigen Gegner IB Vestmannaeyjar (12.500 Zahlende) und Germinal Ekeren (deren 7.500) noch der gerade ausgeloste Halbfinal-Kontrahent Lokomotive Moskau (noch unklar). „Keine attraktiven Gegner“, so Schäfer. Dabei hatte der Generaldirektor gehofft, wenigstens im Halbfinale Geld zu verdienen: „Was wir bisher eingenommen haben, reicht gerade aus, um nicht draufzuzahlen.“ Den Mangel an Interesse dokumentierte schon das Hinspiel in Prag, dessen Übertragung in den Spartensender DSF verfrachtet wurde.

Nur dabei statt mittendrin in den Fleischtöpfen des europäischen Wettbewerbs befindet sich also der VfB Stuttgart. Abgeräumt wird in der Champions League und selbst im Uefa-Cup, die allesamt per UI-Cup oder Aufstockung mit den Vizemeistern aufgewertet wurden und an Attraktivität gewonnen haben. Der Cup der Pokalsieger dagegen fristet mittlerweile das Dasein einer Randnotiz, weil selbst die weiteren Halbfinalisten FC Chelsea und AC Vicenca allenfalls gehobenes Mittelfeld der europäischen Belletage abgeben. „Da muß etwas passieren“, meinte VfB-Präsident Gerhard Mayer- Vorfelder und appellierte an die Uefa, die sich „etwas einfallen lassen muß“. Man stelle sich nur vor: Der VfB Stuttgart gewinnt den Cup und müßte nächstens in der ersten Euro-Runde wieder gegen Vestmanneyjar...

Danach ist dem baden-württembergischen Finanzminister gewiß nicht zumute, denn der kann rechnen. Gefragt wurde Mayer- Vorfelder vor dem sonntäglichen Spiel gegen den FC Bayern München, ob er nicht mächtig stolz sei, das Halbfinale eines europäischen Wettbewerbs erreicht zu haben, während die Münchner Bayern schon im Viertelfinale ausgeschieden sind. Mayer-Vorfelder mußte nicht den Rechenschieber bemühen, um zu antworten: „Ich hätte nichts dagegen gehabt, im Viertelfinale der Champions League auszuscheiden.“ Denn da werden selbst Verlierer zumindest zu finanziellen Siegern. Thilo Knott

Slavia Prag: Cerny – Kozel – Vlcek, Koller (77. Vacha) – Lasota, Kucha, Krejcik (80. Lerch), Horvath, Labant – Ulich, Vagner

Zuschauer: 20.000

Tore: 1:0 Balakow (10.), 2:0 Balakow (90.)

VfB Stuttgart: Wohlfahrt – Schneider, Verlaat, Berthold – Djordjevic, Soldo, Balakow, Yakin, Poschner – Bobic (74. Lisztes), Ristic (89. Spanring)