Süße Quarkspeise, gerührt aus gebrochenen Herzen

■ Der Melodramen kein Ende, auch beim ZDF nicht („Gefangene der Liebe“, So., 20.15 Uhr)

Bei uns sehen die Jungs meistens etwas fieser aus, kommen immer zu zweit und klingeln uns in den unmöglichsten Situationen an die Tür. Kaum ist diese offen, ist man auch schon mittendrin in einer Diskussion über Rückfallquoten von entlassenen Strafgefangenen und deren direkten Zusammenhang mit der einmaligen Gelegenheit, jetzt und hier ein Abonnement einer unentberlichen Zeitschrift abzuschließen.

Träumt nicht jede vereinsamte Hausfrau davon, daß eines Tages einmal einer wie, sagen wir mal, Miroslav Nemec anklopft?

Das ZDF jedenfalls ist felsenfest davon überzeugt, und also ist es ebenjener „Tatort“-Kommissar, der heute abend als „Gefangener der Liebe“ dem vernachlässigten Weibe Susanne Reinisch (Lena Stolze) seine Aufwartung macht. Jan Radek (so der Schnulzen- Deckname von Nemec) will aber gar kein Zeitungs-Abo verkaufen, vielmehr entpuppt er sich als Heilpraktiker, Menschenkenner und Herzensbrecher, immer die richtige Salbe auftragend und salbungsvolle Worte im Munde führend.

Für Susanne schwimmt er sogar durch den See, in welchem ihr böser Ehemann Rolf (Michael Greilig), „ehrgeiziger Lokalpolitiker“, sie wenig später ersäufen will.

Gebrochene Herzen, getrennt, zusammengeführt und zu einer süßlichen Quarkspeise mit Wohlstandsambiente, Ehekrieg und Ehrgeiz zusammengerührt – ein weiterer Schritt des Mainzer Senders auf dem Weg zum Rentner- Spartenkanal, angepriesen unter dem Titel „Melodram im ZDF“.

Regie führt Hans-Jürgen Tögel, und ein Blick auf die Titel seiner bisherigen Werke läßt auch Melodram-Laien erahnen, was sie bei fahrlässiger Benutzung der Fernbedienung heute abend erwartet: „Wohin die Liebe fällt“, „Das Ende eines Sommers“, „Drei Frauen und (k)ein Mann“, „Herz über Kopf“, „Insel der Träume“, „Schwarzwaldklinik“ und „Traumschiff“. Haben Sie einen Film aus dieser Reihe verpaßt? Fehlt Ihnen noch eine Aufzeichnung für den geblümten Videokassettenschuber „Filme mit Herz vom Feinsten“? Dann nur zu.

Sie könnten es aber auch halten wie Lena Stolze. Die ist während der Pressevorführung ins Foyer abgetaucht. Nach dem zwangsläufig glücklichen Ende des Wohlstandsmärchens auf ihre Rolle angesprochen, konnte sie sich gar nicht mehr an den Namen der von ihr „warm und echt“ verkörperten Frau erinnern. Aussitzen und vergessen. Und bloß nicht die Türe aufmachen. Stefan Kuzmany