Pastor Geyer war am Tatort – oder anderswo

■ Gutachter streiten, ob Erde an Geyers Stiefeln vom Tatort stammt. Plädoyers vertagt

Braunschweig (taz) – Es war die Stunde der Gutachter. Am 15. Verhandlungstag im Prozeß gegen den Beienroder Pastor Klaus Geyer beharkten sich zwei Experten für Bodenkunde: Kurt Bickel, Sachverständiger des Landeskriminalamtes Hannover, und Brunk Meyer, Leiter eines Göttinger Institutes für Bodenkunde. Es ging um die Stiefel – ein wichtiges Indiz gegen den Angeklagten, der beschuldigt wird, seine Frau erschlagen zu haben. An Stiefeln aus Geyers Auto hatte Bickel Erde gefunden, die eine „sehr gute Übereinstimmung“ mit der Erde am Leichenfundort aufwies. Meyer, der sich selbst als Gutachter angeboten hatte, wollte diese Aussage erschüttern. Er schaffte es, erhebliche Verwirrung im Gerichtssaal zu stiften.

Eigentlich hätte gestern die Staatsanwaltschaft plädieren sollen. Doch im letzten Moment hatte die Verteidigung den Gegengutachter benannt. In Meyers Vortrag ging es um „Humusgehalte“, „Korngrößenverteilung“, „Schluff- und Tonanteile“ und „qualitative Carbonatbestimmung“. Sein Fazit: Eine Reihe wichtiger Analysen seien in Bickels Gutachten nicht durchgeführt worden. Meyer: „Ich war schockiert.“ Die Ähnlichkeiten, die der andere Gutachter bei den Erdproben festgestellt habe, könne er nicht bestätigen. Da sah Gutachter Bickel für einen Moment aus, als säße er auf der Anklagebank.

Doch dann holte Bickel zu seiner Verteidigung aus. Und nach einigen Stunden aggressiver Rede und Gegenrede und mühsamen Versuchen des Gerichts, dem wissenschaftlichen Kauderwelsch zu folgen, hatte er wieder Boden gutgemacht. Doch Meyer gab sich nicht geschlagen: „Es gibt hundert ähnliche Böden wie den am Leichenfundort.“ Bickel: „Die Unterscheidbarkeit ist sehr, sehr gut.“ Jetzt muß das Gericht entscheiden, welche Expertise wissenschaftlich fundierter und welcher Gutachter kompetenter scheint.

Es war bereits das zweite Mal, daß im Indizienprozeß um den Mord an Veronika Geyer-Iwand Gutachter zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Auch die Frage der Tatwaffe war umstritten. Wenn die Verteidigung das Ende der Beweisaufnahme nicht noch einmal hinauszögert, wird der Prozeß am kommenden Dienstag mit dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft fortgesetzt. bam