Vertrauensbruch hinter den Kulissen

■ Wie ein anonymes Fax das Staatsorchester und den Generalmusikdirektor Neuhold entzweit / Ein Streiprotokoll

„Reißt Euch zusammen“, war die eindringliche Bitte des „Anstoß“-Gutachters in Sachen Musik, Eckard Heinz, an die Adressen von Generalintendant Klaus Pierwoß und Generalmusikdirektor (GMD) Günter Neuhold: Beide sind sich schon lange nicht grün, haben aber gleichwohl „noch jedes Projekt erfolgreich zu Ende gebracht“, so Klaus Pierwoß. Und Günter Neuhold hat, seit er 1995 die Leitung des unsäglich vernachlässigten Orchesters übernahm, dieses qualitativ so überzeugend auf Vordermann gebracht, daß das Philharmonische Staatsorchester wieder überregional im Gespräch ist.

Doch während die MusikerInnen und ihr Leiter nach außen nur Pluspunkte sammeln – dies übrigens auch mit einem ungewöhnlichen Repertoire der großen Sinfonik und zunehmend auch zeitgenössischer Musik –, sieht es hinter den Kulissen anders aus: Es brodelt erheblich zwischen dem Generalmusikdirektor und dem Orchester und dies wohl schon seit längerem. Anders kann man es nicht bezeichnen, wenn der Orchestervorstand und der Personalrat des Orchesters in scharfer Form von Günter Neuhold eine offizielle Entschuldigung für etwas verlangen, was sie für eine Entgleisung halten: Nämlich die Unterstellung des GMD, ein anonym an die taz geschicktes Fax müsse aus dem Orchester kommen. In diesem Fax wurde mitgeteilt, der GMD produziere mit öffentlichen Geldern überflüssige CDs, und bei der letzten Produktion habe die Produktionsfirma pleite gemacht.

Das sachlich fehlerhafte Schreiben, das sich aufgrund unserer Recherchen als haltlos erwies – die einzigen öffentlichen Subventionen sind lediglich die Orchesterdienste im Studio –, bildete jetzt trotzdem die Grundlage für den Scharfschuß des Orchesters. Günter Neuhold: „Ich bin bei meinen Einstellungsgesprächen um Medienprodukte gebeten worden, die ich erfolgreich aufgebaut habe. Fakt ist, daß das Orchester sich um 180 Grad gedreht hat: Die stellen jetzt finanzielle Forderungen, die nicht zu erfüllen sind.“Sicher kann man darüber streiten, ob es Sinn macht, für einen überfüllten Markt weitere CDs zu produzieren, andererseits hat Neuhold mit diesen vier oder fünf CDs auch überregional das hohe Leistungsniveau des Orchesters dokumentieren können. „Das, was erreicht wurde, soll mir jetzt abgenommen werden“, sagt Neuhold und ergänzt in Sachen des anonymen Faxes: „Ich wollte eigentlich nur fragen, ob sich in unseren Reihen ein Judas befindet.“

Warum die überzogene Reaktion auf eine menschliche Ungeschicklichkeit? „Ist nicht überzogen. Das Vertrauensverhältnis ist mit so einer Unterstellung unrettbar zerrüttet“, so der Orchestervorstand Florian Baumann. Gefragt nach den Gründen für diese Einschätzung, sagt Neuhold: „Ich sehe keine.“Einzelne aus dem Orchester sehen das anders: „Er kümmert sich nicht. Wir haben derzeit (mit der Diskussion um eine GmbH-Gründung; Anm. d. Red.) den politisch schwersten Kampf durchzustehen, und er hält sich raus.“Andere aber sagen noch immer: „Seine manchmal zynische menschliche Art ist egal – ohne ihn wären wir nicht da, wo wir sind.“Günter Neuhold: „Ich werde mich entschuldigen, und dann ist die Sache für mich erledigt.“Neuholds mögliche Vertragsverlängerung ab der Saison 1998/99 setzt derweil Schimmel an – warum? Ute Schalz-Laurenze