1998 ist „Jahr der Rückführung“

Eberhard Diepgen fordert nach Bosnien-Reise verstärkte Rückkehr von Flüchtlingen. Heimkehr in die Republik Srpska ist jedoch immer noch problematisch  ■ Aus Sarajevo Julia Naumann

Die Ausländerbeauftragte Barbara John geht davon aus, daß im Jahr 1998 8.000 bis 9.000 bosnische Flüchtlinge freiwillig nach Bosnien-Herzegowina zurückkehren werden. Das sagte John anläßlich eines eintägigen Besuchs am Wochenende in Sarajevo, wo sie sich zusammen mit dem Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) über die politische Lage in Bosnien und verschiedene Rückkehrprojekte informierte.

Jedoch, so schränkte sie ihre optimistische Schätzung ein, sei die Lage im serbischen Teil der Republik Srpska für muslimische Heimkehrer „immer noch sehr schwierig“. In Berlin leben derzeit noch 23.000 bosnische Flüchtlinge; davon sind ungefähr 8.000 aus der Stadt Bijeljina in der Republik Srpska. Vor einem Jahr hatte der Bürgermeister der Stadt es noch abgelehnt, muslimische Vertriebene wieder aufzunehmen. John geht davon aus, daß deshalb ein Teil dieser Flüchtlinge sich in der Föderation – in der überwiegend Muslime leben – ansiedeln müßten.

Auch Eberhard Diepgen, der als erster Länderregierungschef Bosnien-Herzegowina besuchte, erklärte 1998 „zum Jahr der Rückführung“. In politischen Gesprächen habe er den Eindruck gewonnen, daß eine Rückkehr in die „alte Heimat“ möglich sei. Andernfalls werde es verstärkt zu Abschiebungen kommen, kündigte der Regierende Bürgermeister an.

Die Bundeswehr erstellt in Bosnien derzeit eine detaillierte Liste über die Regionen, in die eine Rückkehr unbedenklich ist. Außerdem organisiert sie im 30 Kilometer von Sarajevo entfernten Breza den Aufbau von 90 Einzimmerwohnungen für rund 500 Flüchtlinge aus Berlin. Für dieses Projekt hat der Senat 4,5 Millionen Mark vorgesteckt, die aus Mitteln der Europäischen Union (EU) bereits zugesagt, aber noch nicht ausgezahlt sind.

Daß die Rückkehr auch in sogenannte „sichere“ Gebiete für viele Flüchtlinge aufgrund der immensen Wohnungsnot und Arbeitslosigkeit immer noch nicht einfach ist, zeigte sich anhand eines Besuches in einer Metallfachschule in Sarajevo. Dort sollen ingesamt zwölf junge Rückkehrer ein berlin- bosnisches Qualifizierungsprojekt zu Ende führen.

In Berlin waren diese drei Monate für bestimmte Berufe wie Schlosser, Schweißer oder Pflegerin geschult worden. In Bosnien werden sie noch einmal sechs Monate weitergebildet. Der 17jährige Erkrem Betkic, der zwei Jahre in einem Flüchtlingsheim im Bezirk Schöneberg lebte, hat sich entschlossen, an diesem Projekt teilzunehmen. Doch er sagt etwas mutlos: „Ich denke nicht, daß ich danach einen Job finden werde.“ Er befindet sich seit zwei Wochen wieder in Sarajevo.

Der Jugendliche, der in einer kleinen Stadt in der Republik Srpska aufgewachsen ist, lebt jetzt in einem Studentenwohnheim. Seine Eltern sind nach wie vor in Berlin, weil sie nicht in ihren Heimatort zurückkehren können und in der Föderation noch keine neue Bleibe gefunden haben.

Die Ausländerbeauftragte John hat insgesamt rund 300 Praktikumsplätze organisiert, bisher konnte sie aber erst 220 Interessierte finden. „Natürlich ist das für die Jugendlichen ein Sprung ins kalte Wasser“, sagte John. Würden sie einwilligen, verpflichteten sie sich gleichzeitig zur Ausreise.

Obwohl auch John die Chance auf einen sofortigen Arbeitsplatz als nicht besonders hoch einschätzt, sei das Projekt sehr sinnvoll: „Es ist besser, als in Berlin untätig herumzusitzen.“ Das sah Erman Tanyildiz am Wochenende anders. Der türkische Unternehmer, der Vorsitzender der Stiftung OTA ist, hat 250.000 Mark für Geräte und Austattung in die Technikschule in Sarajevo investiert.

Seine Stiftung ist der Träger des Qualifizierungsprojekts in Sarajevo. „Ich bin mir mittlerweile nicht mehr sicher, ob es nicht besser ist, trotz der Qualifikation in Deutschland zu bleiben“, sagte Tanyildiz. Schon die wenigen Jugendlichen, die sein Träger betreue, hätten Probleme, in Sarajevo Fuß zu fassen. Wichtig wäre es, daß die jungen Erwachsenen auch nach dem Qualifizierungsprojekt die Möglichkeit erhielten, eine in Bosnien anerkannte Ausbildung oder wenigstens den Schulabschluß zu machen.