"Eventkultur kann nie das Ziel sein"

■ Der renommierte Kölnische Kunstverein soll in den Keller eines Museumsneubaus verbannt werden - was ihn für Sponsoren nicht attraktiver macht. Ein Gespräch mit Udo Kittelmann, dem Leiter des Kunstverei

taz: Herr Kittelmann, die Tage des Kölnischen Kunstvereins sind womöglich gezählt. Er soll aus seinem großen, durch Glasfront und Oberlicht hell beleuchteten Ausstellungsraum raus und in den geplanten Museumsneubau für das Rautenstrauch-Joest-Museum und die Kunsthalle einziehen. Der Entwurf des Braunschweiger Architektenduos hat Sie dabei in den Keller verbannt. Können Sie mit dieser Entscheidung leben?

Udo Kittelmann: Nein, mit dieser Entscheidung können wir nicht leben. Der Kölnische Kunstverein ist immerhin die älteste Kunstinstitution der Stadt Köln und die einzige von internationalem Renommee, die sich mit aktueller Kunst auseinandersetzt. Dazu kommt, daß die neuen Räume überhaupt nicht über Qualitäten verfügen, die der heutigen Kunstproduktion irgendwie gerecht werden. Vieles von dem, was in den letzten 30 Jahren in diesem Haus an Ausstellungen möglich war, wird nicht mehr realisiert werden können. Das muß man ganz deutlich sehen. Wir haben in den letzten Monaten sehr intensiv mit den Architekten zusammengearbeitet und versucht, einen Kompromiß trotz des Kellergeschosses zu finden. Schließlich mußten wir erkennen, daß die Raumqualitäten in diesem Entwurf nicht verbessert werden konnten. Deshalb haben wir der Vorplanung nicht zugestimmt.

Die Finanzierung des Neubaus ist ja noch keineswegs gesichert. Was passiert nun weiter?

Es wird ein großer Verlust für den Kunstverein sein, wenn er tatsächlich in den Keller muß, weil die Qualität der Ausstellungen und das gesamte Ausstellungskonzept unter diesen Bedingungen leiden werden. Die Pläne sehen im Moment 40 Prozent weniger Wandfläche als bisher vor. Das bedeutet, wir könnten überhaupt keine repräsentativen Ausstellungen zum Beispiel von Malerei machen. Völlig unverständlich ist mir, daß man einen Raum für zeitgenössische Kunst vom Tageslicht abschneidet. Jedem ist nachvollziehbar, daß man Kunst ganz anders erlebt in einem tageshellen Raum. Für den Kunstverein würden die geplanten Raumverhältnisse bedeuten, daß alle Ausstellungen immer nur im Kunstlicht stattfinden können. Auch ein eingezogener Lichtgraben ist da absolut nicht ausreichend. Für großangelegte Rauminstallationen etwa braucht man Tageslicht. Kunst in einem lichtlosen Kasten ist einfach nicht vorstellbar.

Seit Sie vor gut drei Jahren die Leitung des Kunstvereins übernahmen, haben Sie durch spektakuläre Ausstellungen auf sich aufmerksam gemacht und mehr und mehr junges Publikum angezogen. Welche Rolle spielt die Eventkultur in Ihrer Arbeit als Kurator?

Unsere Eröffnungen sind sicherlich ein regionales Ereignis. Ich persönlich bin überhaupt nicht an einer Eventkultur interessiert. Der Besucher soll sich hier wie zu Hause fühlen. Dafür lassen wir uns etwas einfallen. Eventkultur kann aber nie das Ziel sein. Das Interesse gerade des jungen Publikums hat eher damit etwas zu tun, daß die gezeigten Künstler unsere augenblicklichen Lebenswelten reflektieren. Ich denke, Kunst soll nicht nur selbstreflexiv sein, sondern darüber hinausgehen. Daraus, glaube ich, resultiert der Erfolg unserer Ausstellungen.

Wie sieht nun die Zukunft des Kunstvereins aus?

Bleibt es bei der Planung, müssen wir 1999 hier raus; das gesamte Areal von Kunsthalle und Kunstverein wird abgerissen. Auf jeden Fall brauchen wir eine Interimslösung, die uns zumindest gestatten müßte, einigermaßen adäquate Ausstellungen zu machen. Aber auch dafür gibt es von seiten der Stadt Köln keinen einzigen konkreten Vorschlag. Wenn der Kölnische Kunstverein in der Zwischenzeit von immerhin zwei bis drei Jahren keine attraktiven Ausstellungen organisieren kann, wird der Kunstverein Mitglieder verlieren. Und das heißt mit anderen Worten, er wird sterben. Und das in der Kunststadt Köln. Es ist für mich nicht vorstellbar, aber das kann passieren, wenn jetzt nicht eine Einsicht seitens der Stadt erfolgt.

Vor zwei Wochen hat die Kölner Kulturdezernentin Kathinka Dittrich van Weringh das Handtuch geworfen, weil sie in ihrem Ressort nichts bewegen konnte. Die Finanzlage der Kommunen ist prekär. Sie haben für die Realisierung der Ausstellungen häufig Sponsoren gewonnen oder die Zusammenarbeit mit anderen Museen und Institutionen gesucht. Wie halten Sie es mit den Sponsoren?

Bis heute ist der Kölnische Kunstverein ein gesundes Unternehmen. In den letzten Jahren wurde uns von Länderstiftungen bei der Realisierung von Ausstellungen geholfen, aber vor allem auch von dritter Seite private Mittel zur Verfügung gestellt. Und wir haben diese finanzielle Unterstützung erhalten, weil wir ungewöhnliche, oft mit einem hohen Risiko verbundene Ausstellungen verwirklicht haben. Weil das bekannt war, konnten wir Präsentationen mit einem hohen Risiko verwirklichen und bekamen trotzdem die notwendigen Mittel. Zum Beispiel die Ausstellung von Rirkrit Tiravanija wurde erst durch den hochdotierten Kunstpreis der Central- Krankenversicherung, der von uns mitkonzipiert wurde, möglich. Dieses Haus hat in den letzten Jahren soviel an Profil gewonnen und in mancher Hinsicht eine Vorreiterrolle in Deutschland gespielt, daß es besonders tragisch sein wird, wenn wir solch erfolgreiche Ausstellungskonzepte in Zukunft nicht mehr weiterführen können.

Wie sieht Ihr Zeitplan bis zum Tag X aus?

Wir können im Moment nur bis Mitte 1999 planen, was eine Zumutung ist, weil eine langfristige Planung für jeden Kurator absolut notwendig ist. Interview: Petra Löffler