Wertvoller Di Pietro

■ Italiens Korruptionsjäger gründet Bewegung – gegen das Verhältniswahlrecht

Rom (taz) – Jahrelang hat er gebrütet, Dutzende Ankündigungen wieder zurücknehmen lassen. Nun hat das Kind einen notariellen Namen: „Italien der Werte“ heißt die Bewegung, die Iialiens ehemaliger Chefermittler in Sachen Korruption, Antonio Di Pietro, am Samstag ins Leben gerufen hat.

Der Exstaatsanwalt, der sich vorigen Herbst über die Liste des regierenden Olivenbaumbündnisses zum Senator hat wählen lassen, will damit offiziell „keine neue Partei ins Leben rufen“, wohl aber „dem gesunden Menschenverstand und dem allgemeinen Bürgersinn“ Kraft und Ausdruck verleihen. Erster Schritt: Die Einleitung eines Volksentscheides zur Änderung des derzeitigen Wahlmodus, um ein reines Mehrheitswahlrecht einzuführen. Ein Schritt, der auf ein großes Ziel gerichtet ist: Die Verhinderung der Verfassungsreformen, wie sie eine große Allianz zwischen dem Olivenbaumbündnis und der Rechtsopposition unter Führung des Mailänder Medienmoguls und ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi ausgehandelt hat. Das Wahlsystem ist dabei ein zentraler Punkt, und Berlusconi wird die Reform nur passieren lassen, wenn das System so geändert wird, daß er selbst mehr Chancen hat – was aber mit der Abschaffung des Verhältniswahlrechts gerade nicht der Fall wäre.

Hinter der neuen Bewegung steht der Wille Di Pietros, bei einer künftigen Direktwahl für das Amt des Staatspräsidenten zu kandidieren. Sympathisanten seiner Bewegung sind Politiker aus allen Lagern, auch Intellektuelle, Manager und hochrangige Juristen. Vorläufige Sprecherin von „Italien der Werte“ ist die Gewerkschafterin Alessandra Paradisi. Ihr haftet allerdings nach Meinung einiger Beobachter ein gewisser Beigeschmack der „Ersten Republik“ an, wo sie für den umstrittenen sozialistischen Außenminister Gianni De Michelis arbeitete. Vorsichtshalber hat Di Pietro die Frau nur für vier Monate zur Sprecherin wählen lassen. Werner Raith