Quittung für landespolitische Versprecher

■ Grüne vertrieben schleswig-holsteinische Wähler mit Benzinpreisdebatte

Der Kreis Herzogtum-Lauenburg im Osten Hamburgs ist mit allem gesegnet, was gemeinhin grünes Wählerpotential mobilisiert: Der Transrapid soll bald über die Äcker schweben. Der Atommeiler Krümmel steht seit Jahren an der Unterelbe in Geesthacht und im Verdacht, die zahlreichen Leukämie-Erkrankungen bei Kindern in der Umgebung verursacht zu haben. Und demnächst wird wohl auch noch die umstrittene Ostseeautobahn A 20 für Verkehr und Lärm im Kreis sorgen.

Trotzdem, seufzt Axel Hilker, Kreisgeschäftsführer der Bündnisgrünen in Herzogtum-Lauenburg, „haben wir 3,6 Prozentpunkte gegenüber 1994 verloren“. Auf magere 7,5 Prozent ist seine Partei bei den schleswig-holsteinischen Kommunalwahlen am Sonntag gerutscht. Ein „schlechtes Wahlergebnis, keine Frage“, sagt Hilker. Zudem eins, das ganz im Landestrend der bündnisgrünen Stimmenverluste liegt – rund ein Drittel ihrer WählerInnen hat die Ökopartei einbüßen müssen.

Auch in anderen Grünen-Hochburgen um die AKWs Brokdorf, Brunsbüttel und Krümmel oder im Kreis Pinneberg, dem Reich des grünen Kieler Umweltministers Rainder Steenblock, wo Europas größtes Baumschulgebiet für schlechtes Grundwasser und Angst vor Krebs sorgt, haben viele Stimmberechtigte diesmal doch die SPD vorgezogen. Warum?

„Wir haben verloren, weil wir letztes Mal so gut abgeschnitten haben“, sagt Hilker. Letztes Mal, bei der Kommunalwahl vor vier Jahren, da hätten „viele noch gedacht, weil sie die Grünen wählen, können sie die A 20 verhindern“. Diese Hoffnung hätte seine Partei nun „enttäuscht“. Vielleicht, so Hilker, „müssen wir in Zukunft vorsichtiger damit umgehen, was wir den Menschen versprechen“.

Denn daß die Enttäuschung an der grünen Basis groß ist, bestreitet keiner: „Das ist die Quittung für die Ausstiegspolitik, die sie nicht eingehalten haben“, sagt Krümmel-Gegnerin Marion Lewandowski vom Verein Eltern für unbelastete Nahrung. Andere Mitglieder aus grünennahen BIs, die ungenannt bleiben möchten, erklärten, diesmal „erstmals“nicht grün gewählt zu haben.

Ach, rauft sich Thorsten Berndt, grüner Kreisgeschäftsführer in Pinneberg, die Haare, „woran's jedenfalls nicht liegt, ist, daß wir schlecht in den Kommunen gearbeitet hätten“. Im Gegenteil: Die lokalen Umweltprobleme seien weiterhin Thema. Doch ein kommunalpolitischer Wahlkampf sei praktisch nicht möglich gewesen: „Die Leute, die zu uns an den Stand kamen, fragten, ey, was soll das mit den 5 Mark für's Benzin?“Das, sagt Berndt, „haben wir nicht vermittelt bekommen in den Kommunen“. Und im allgemeinen „Schröder-Rausch“habe man es nicht geschafft, „die, die zwischen uns und der SPD schwanken, auf unsere Seite zu ziehen“.

„Das Geeier um die A 20 und den Atomausstieg hat sicher den einen oder anderen mürrisch gemacht“, verspürte Bernd Voß, Fraktionsvizechef im Kreistag Steinburg, auch Gegenwind durch die Landtagsfraktion. Zwei AKWs, Brokdorf und Brunsbüttel, liegen in dem Kreis. Da sei es schon „denkbar unerquicklich, wenn man immer ausführlich dargestellt bekommt, warum angestrebte Dinge nicht möglich sind“. Achim Fischer/

Heike Haarhoff