Hechten durch Feuerreifen

■ Vor fünf Jahren noch Straßenkinder in Nairobi, heute eine internationale Akrobatengruppe: Out of Streets Africa für eine Woche in Bremen

Weil Straßenkinder in Nairobi auch mal Karatefilme aus Korea gucken, tanzten gestern sechs kenianische Jugendliche in einer teneverischen Turnhalle karibischen Limbo unter einer brennenden Stange. Und 450 begeisterte SchülerInnen im häßlichen, aber sehr lebenslustigen Schulzentrum an der Koblenzer Straße klatschten rhythmisch mit.

Die Zusammenhänge waren ihnen zuvor von der Akrobatengruppe Out of Streets Africa im Unterricht verklickert worden. „Nicht jeder kann das, aber jeder kann was“, hatte ihnen der 17jährige Abagana aus Nairobi erklärt. Diese optimistische Philosophie hat er vom Begleiter der Gruppe, dem 27jährigen Robert Mutuma, der in Nairobi damit die Kids von der Straße holt. Ein sozialpädagogisches Projekt also – den Künsten der sechs Akrobaten sieht man das nicht unmittelbar an. Die können was.

Abagana zum Beispiel. In Nairobi kopierte er als Straßenkind einst ziemlich gut die Karatekids im Fernsehen und verdiente sich mit seinen Aufführungen den täglichen Hungerlohn. Manchmal auch weniger. Inzwischen hat er sich ganz auf Tanz und Akrobatik umgestellt – semiprofessionell und gemeinsam mit den wechselnden Mitgliedern seiner Akrobatengruppe tingelt er durch die Hotels und Banken, über die Bühnen und Galopprennbahnen Kenias. Nach Bremen hat es ihn und fünf weitere Akrobatenkollegen durch die Einladung einer vierköpfigen Bremer Privatinitiative verschlagen – die sorgte gemeinsam mit der Bochumer Evangelischen Kirche für die Fahrtkosten. Zum Beispiel indem sie gestern im Schulzentrum 300 Mark Eintrittsgelder als „Spende“einsammelten. Nicht zu üppig für das, was geboten wurde. Pyramiden aus Menschenextremitäten, auf denen Henry seine Flickflacks übte, das poppte. Nicht zuletzt wegen der unbändigen Angélique-Kidjo-Rhythmen, denn: Akrobatik ist Tanz mit erweiterten Mitteln.

Und den Profi der Akrobatik erkennt man daran, daß er einen mißlungenen Sprung in Erfolge ummünzt. Drei Tanzschritte aus der Gefahrenzone, ein ins Publikum geworfenes Grinsen und das Abklatschen in der ersten Reihe. Schon liegt Tenever dir zu Füßen. Übrigens: Sind Sie schon mal auf zwei Füßen unter einer sechzig Zentimeter tiefen, brennenden Stange durchgetanzt? Henrys Kollege kann das. Auch wenn sein schicker rotgelber Zwirn danach ein bißchen kokelte.

Vorher, bei der Diskussion mit den Schülern der 10. bilingualen Klasse des Schulzentrums war der Mut nicht ganz so groß. Nur gut, daß es Pädagogen gibt. Andreas Grösch, der in der Klasse Social European Studies (SES) unterrichtet, rollte glücklicherweise einen unerschöpflichen Fragekatalog ab – die Akrobaten und SchülerInnen zeigten sich eher stumm ihre schüchterne Sympathie füreinander. Dabei waren die Schüler weder desinteressiert noch doof. Und Fragen hatten sie eigentlich auch: Ob die wirklich nie zur Schule gegangen sind; ob sie ihre Eltern vermissen...

Nicht wegen fehlender Englischkenntnisse, sagt Monika – nach vier Jahren deutsch-englischem Unterricht in Tenever habe man da kaum noch Hemmungen: „Schiß hatte ich, ob ich denen mit meinen Fragen zu nahe trete“. Ausnahme: Yelis. Die Selbstbewußte mit dem goldschwarzen Kopftuch plauderte munter drauf los und fuhr auch ihrem Lehrer gern mal streng übers Maul. Nachher waren sich ausnahmslos alle einig: Als Touristen nach Nairobi fahren kommt nicht in Frage. „Dann liegen wir da am Strand und nebenan verhungern die Kinder – Nee danke“spottete Yelis.

Dabei sind es nicht zuletzt auch Nairobi-Touristen, zu denen Robert Mutuma Kontakt aufbaut. Jens Rühe, den Bremer Geographie-Studenten, der seine Gruppe nach Bremen einlud, kennt er beispielsweise aus dem dortigen YMCA. Auch die Einladung nach Bochum kam eher informell zustande. Jens Rühe hat inzwischen in Bremen einen Verein gegründet. Den „Verein Mapambazuko - Bildung für Straßenkinder“. Wegen der Spenden für den zweiwöchigen Deutschland-Aufenthalt von Out of Streets Africa. Aber auch für das Projekt eines Zentrums für Straßenkinder in Nairobi. Vier Schulen konnten sie als Bühne für die Akrobaten gewinnen. Außerdem das Autohaus Nord – und am Samstag um elf Uhr hechten die sechs Boys über den Bremer Marktplatz. Ansonsten hielt sich die Marktöffentlichkeit lieber vornehm zurück. „In der Bremer Innenstadt war weder ein Geschäft noch eine Passage bereit, die Gruppe auftreten zu lassen“, so lakonisch Jens Rühe. ritz

Spendenkonto des Vereins Mapambazuko unter Stichwort Out of streets Africa bei der Postbank Hamburg BLZ 200 100 20; Kto-Nr. 349487-201