„Scherfs Demokratie-Verständnis eingeschränkt“

■ Interview mit Andreas Lojewski (AfB) über den Sinn von Untersuchungsausschüssen und die Äußerungen Scherfs

Anstatt das Parlament zu verkleinern, sollten Politiker lieber darüber nachdenken, ob Untersuchungsausschüsse sinnvoll seien sagte Bürgermeister und Justizsenator Henning Scherf (SPD) in einem Zeitungsinterview. Ob Untersuchungsausschüsse Geldverschwendung sind, wollten wir von Andreas Lojewski (AfB) wissen. Er ist Vorsitzender des JVA-Untersuchungsausschusses, der die Mißstände im Gefängnis Oslebshausen aufklären soll.

Herr Lojewski, die AfB hat gemeinsam mit den Grünen in dieser Legislaturperiode zwei Untersuchungsausschüsse eingesetzt. Herr Scherf hat Ihnen jetzt vorgehalten, Sie würden nichts herausbekommen und sinnlose Millionen verpulvern. Was sagen Sie dazu?

Andreas Lojewski: Das zeigt nur, daß Scherf ein sehr eingeschränktes Demokratie-Verständnis hat. Untersuchungsausschüsse sind die schärfste Kontrolle des Parlaments. Aber unser Bürgermeister meint offenbar, daß die Grundsätze der Demokratie vor seiner Person haltmachen müssen.

Die Kosten des Vulkan-Ausschusses werden auf zwei bis drei Millionen Mark geschätzt. Hätte man das Geld nicht lieber für die Schaffung neuer Arbeitsplätze ausgeben sollen?

Der Vulkan ist über viele Jahre subventioniert worden. Als wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD habe ich diese Politik am Rande zwei Jahre lang mitbetrieben. Aus solchen Erfahrungen muß man als Parlamentarier lernen, und dafür sind unter anderem Untersuchungsausschüsse da. Wenn die Arbeit des Vulkan-Ausschusses bewirkt, daß sich die Praxis in der Wirtschaftsförderung ändert, hat der Ausschuß für die Zukunft eine Menge Arbeitsplätze gesichert.

Aber was ist mit dem JVA-Ausschuß? Der Justizstaatsrat ist zurückgetreten, Anstaltschef Hoff hat seinen Hut genommen. Was soll da noch ein Untersuchungsausschuß?

Wir sind keine Headhunter, die Köpfe rollen sehen wollen. Wir untersuchen die Strukturen, die zu den Mißständen geführt haben. Übrigens: Für den JVA-Ausschuß sind im Jahr 1997 von den veranschlagten 576.000 Mark nur 380.000 ausgegeben worden. Für 1998 sind rund 1,1 Millionen Mark veranschlagt worden. Das Geld werden wir voraussichtlich nicht brauchen.

Und was haben Sie rausgefunden?

Ich will dem Abschlußbericht nicht vorgreifen, aber wir haben gravierende Mängel in der Aufsicht ausgemacht. Auch was die Bearbeitung der Häftlingsbeschwerden angeht, haben wir erhebliche Mängel festgestellt. Im Abschlußbericht werden die Verbesserungsvorschläge einen besonderen Schwerpunkt einnehmen. Alle Maßnahmen, die inzwischen getroffen worden sind, was zum Beispiel die Sicherheit angeht, sind nur eingeleitet worden, weil es den Ausschuß gibt.

Die Häftlinge haben davon nichts. Im Gegenteil. Es gibt weniger Lockerungen. Wenn man es böswillig formulieren wollte, könnte man sagen, Bremen hat sich vom liberalen Strafvollzug verabschiedet.

Liberaler Strafvollzug ist doch nur ein Schlagwort. Die Resozialisierung der Häftlinge muß im Vordergrund stehen. Resozialisierung und die Zügel schleifen lassen, sind zweierlei. Wenn Beamte Häftlinge mißhandeln, hat das nichts mehr mit liberalem Strafvollzug zu tun. Scherf tut gut daran, sich seiner Verantwortung als Justizsenator endlich bewußt zu werden, anstatt mit Fingern auf diejenigen zu zeigen, die sich bemühen, die Mißstände aufzuklären und zu beseitigen.

Fragen: Kerstin Schneider