„Am Konzept wird nichts geändert“

■ Trotz Wahlschlappe will die Sprecherin der Bündnisgrünen, Gunda Röstel, mit der Forderung nach fünf Mark Benzinpreis in die Offensive gehen

taz: Nach der Niedersachsenwahl sprach Ihr Vorstandskollege Jürgen Trittin noch von einem Schuß vor den Bug für die Grünen. Dann haben Sie jetzt in Schleswig- Holstein wohl den ersten Volltreffer erhalten.

Gunda Röstel: Es ist eine bittere Niederlage. Die Bündnisgrünen konnten das hervorragende Ergebnis von 1994 nicht halten, sondern wir sind unter den Durchschnitt der Bundes- und Landtagswahlergebnisse zurückgefallen. Wir müssen jetzt schauen, was an dem Ergebnis den kommunalen Aspekten und was der Bundespolitik und auch der Stimmung in unserer Partei geschuldet ist.

Wieviel Schuld trägt denn die Partei?

Betrachtet man das Ergebnis, so hat sich unter dem Strich an der Zustimmung zu Rot-Grün nicht viel geändert. Die SPD profitiert auch von Wählerstimmen aus unserem Spektrum. Wir haben es seit unserer Bundesdelegiertenkonferenz in Magdeburg nicht geschafft, ein Bild der Geschlossenheit und der Offensive zu vermitteln. Unser Konzept erfordert natürlich vom Wähler ein Nachdenken, und das erleichtert es der Regierungskoalition, sich auf Grün zu fokussieren, wenn sie Rot-Grün schädigen will. Tatarenmeldungen, die da lauten: „Die Grünen wollen fünf Mark für den Liter Benzin“, verschrecken zunächst, und es war wenig Zeit, das geradezurücken. Das hat in dem Wahlergebnis seinen Niederschlag gefunden.

Die Forderung nach einer drastischen Verteuerung des Kerosins war auch nicht gerade dazu angetan, den Schrecken zu mildern.

Das war eine unverantwortliche Einzelmeinung. Den Bürgern vorschreiben zu wollen, wie oft sie mit dem Flugzeug in Urlaub fahren dürfen, ist eine Bevormundung, von der ich mich nur distanzieren kann.

Viele Wähler erkennen auch in der Forderung nach einer Benzinpreiserhöhung auf fünf Mark eine Bevormundung. Wird diese Position revidiert?

Nein, an diesem, ich betone das, langfristigen Konzept wird keine Änderung vorgenommen. Was wir deutlich machen müssen, ist das, was wir in der nächsten Legislaturperiode anpacken werden. Die fünf Mark stehen nicht am Anfang, sondern am Ende einer zehnjährigen schrittweisen Benzinpreiserhöhung.

Die fünf Mark werden also kein Gegenstand einer Koalitionsverhandlung sein?

Diese fünf Mark werden wir in der nächsten Legislaturperiode sicher nicht erreichen.

Nach den zwei Prozent, die die Grünen in den Umfragen verloren haben, nach den drei Prozent minus in Schleswig-Holstein – mit welchen Verlusten rechnen Sie in Sachsen-Anhalt?

Es hätte von vorneherein alle Kraftanstrengung gekostet, den Wiedereinzug in den Landtag zu schaffen. Es ist jetzt allerhöchste Zeit für die Grünen, die Ärmel hochzukrempeln und Geschlossenheit zu zeigen. Ich kann nur hoffen, daß es zu den entsprechenden Ergebnissen führt.

Ist es mit der Geschlossenheit getan? Eine Reihe Ihrer Parteifreunde haben davon gesprochen, daß die fünf Mark gerade im Osten kaum zu vermitteln sind.

Unsere Partei will keine Schocktherapie, sondern einen für die Wirtschaft und die Verbraucher berechenbaren Anpassungsprozeß. So kann man das Konzept auch vermitteln.

Vor einem Monat noch glänzten die Grünen mit ihrer finanz-, sozial- und haushaltspolitischen Kompetenz und Akzeptanz. Mittlerweile gelten sie wieder als die Ökopaxe, die die Wirtschaft behindern.

Das zeigt, wie rasant eine Mediengesellschaft funktioniert. Wir sind allerdings, kaum daß uns der Wind etwas schärfer ins Gesicht blies, nervös auseinandergefallen. Deshalb meine Forderung nach Geschlossenheit und Schluß mit den rückwärtsgewandten Debatten. Wir dürfen uns nicht auf der Suche nach Schuldigen in ein Stimmungstief hineinmanövrieren.

Gilt diese Forderung auch Ihren Vorstandskollegen? Die haben noch in der letzten Woche Nachbetrachtungen zur Bosnien-Debatte an die Partei verschickt.

Diese Forderung richtet sich an jeden, der meint, wir könnten mit solchen Rückschauen Zeit vergeuden. Interview: Dieter Rulff