Der Vorwurf: Körperverletzung im Amt

■ Im Bernauer Polizistenprozeß beantragt Staatsanwalt dreimal Bewährung und einmal Knast

Frankfurt a. d. Oder (taz) – Eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten forderte die Staatsanwaltschaft gestern gegen den hauptangeklagten Polizisten im Prozeß gegen die Bernauer Polizeiwache am Landgericht Frankfurt (Oder). Gegen drei weitere angeklagte Polizisten sollen Bewährungsstrafen zwischen sechs und 20 Monaten ausgesprochen werden.

Den Polizisten wird vorgeworfen, zwischen 1992 und 1994 vietnamesische und einen polnischen Zigarettenhändler systematisch geschlagen, getreten, gedemütigt und in Einzelfällen zu Aussagen erpreßt zu haben. Die Vorfälle hatten im Sommer 1994 bundesweit für Aufsehen gesorgt. Vier der ursprünglich acht Angeklagten wurden zwischenzeitlich wegen Mangels an Beweisen freigesprochen.

Staatsanwalt Joachim Sörries hält nach einem mehr als zwei Jahren währenden Mammutverfahren 13 der ursprünglich 23 Anklagepunkte für erwiesen. Er bedauert, daß es nicht gelungen ist, die Tatvorwürfe restlos aufzuklären und Licht ins Dunkel der Bernauer Polizeiwache zu bringen. Drei Anklagepunkte mußten allein deshalb fallengelassen werden, weil ein vietnamesischer Geschädigter nicht zur Zeugenaussage einreisen durfte. Das Bundesinnenministerium hatte einen neuen Asylantrag gefürchtet. Sörries: „Die Strafaufklärung mußte leider ausländerpolitischen Prämissen weichen.“

Die relativ hohe Bestrafung sei schon aus generalpräventiven Erwägungen angebracht, denn die Vorfälle hätten die gesamte Brandenburger Polizei diskreditiert. Die Nebenklage wies auf die „herausragende Stellung“ des Prozesses unter den Verfahren gegen Polizeibeamte. Nebenklagevertreter Dieter Hummel würdigte, daß die Brandenburger Polizei die Ermittlungen ernst genommen habe. Ähnliche Ermittlungen in Berlin waren im Sande verlaufen. Das Urteil wird Anfang Mai erwartet. Ob eine Verurteilung erfolgt, wird davon abhängen, ob das Gericht den vietnamesischen Zeugen Glauben schenkt. Unabhängige Zeugen konnten fast nie die Vorfälle selbst, sondern nur deren Folgen bestätigen. Marina Mai