Der billigere Rausch

Zwei junge Männer handelten mit Ecstasy – angeblich, weil Alkohol zu teuer ist  ■ Von Elke Spanner

Es sind zwei klassische Party-Kids, die auf der Anklagebank des Landgerichts sitzen. Der 23jährige Sherwin T. könnte auch gerade auf dem Weg in den Club sein: Die länglichen schwarzen Haare sind mit Gel nach hinten frisiert, Hose, Sweatshirt, Boots – alles Kleidungsstücke, die gerade „angesagt“sind. Im großen Stil sollen er und sein Freund mit Ecstasy gehandelt haben – vor allem Sherwin T., der im Laufe von nur fünf Monaten rund 16.000 Pillen unters Partyvolk gebracht haben soll. Ihm droht eine mehrjährige Haftstrafe.

Es ist ungewöhnlich, von einem Mittzwanzigjährigen, dessen Erscheinungsbild so auf Äußerlichkeiten angelegt ist, immer wieder Selbstentlarvungen zu hören. „Ich wollte angeben, im Mittelpunkt stehen“, beschreibt er. Erst kaufte er zum Eigenkonsum eine Pille, dann 50, „weil es billiger war“. Als er im August 1996 verhaftet wurde, hatte er 4000 Ecstasy bei sich.

Als Großkunde zahlte Sherwin T. selbst nur noch 4,40 Mark für eine Tablette, veräußerte sie für fünf bis 20 Mark weiter. An andere Dealer oder Freunde, ebenfalls Stammgäste in der Techno-Disko „Tunnel“; an andere „Jungen“, wie Sherwin es ausdrückt. Unumwunden bestätigt er jeden Handel, stellt sich naiv dar, wenn er beschreibt, daß er mit Ecstasy anfing, „weil ich von Sozialhilfe gelebt habe und Alkohol zu teuer war“.

In seine Geschäfte, die er bald nach seiner ersten eigenen Pille aufnahm, zog er auch Freunde mit hinein – angeblich, ohne sich dessen bewußt zu sein. Ein Freund zum Beispiel war auf der Fahrt dabei, auf der Sherwin T. schließlich festgenommen wurde. „Ich dachte, ich tu ihm einen Gefallen, wenn ich ihn mitnehme, weil er Liebeskummer hatte und nicht allein sein wollte.“

An einer Stelle wird die Naivität jedoch gebrochen, und dieser Punkt könnte Sherwin T. zum Verhängnis werden. In dem Mietauto, in dem er schließlich festgenommen wurde, fand die Polizei ein „Schlagringmesser“. Sherwin T. betont, die Waffe „zum Angeben“bei sich geführt zu haben, „ich fühlte mich damit toll.“Der Richter signalisiert zwar, daß er dem Angeklagten glaubt, und stuft selbst das Messer für weniger gefährlich ein, als ein Gutachten des Landeskriminalamts es tat. Der Staatsanwalt und die Schöffen hingegen zeigen sich skeptisch. Und wer bei einem Drogengeschäft eine Waffe bei sich trägt, geht laut Gesetz für mindestens fünf Jahre ins Gefängnis.