Schlachte-Rüttel-Terror

■ Martini-Anleger zum Tiefer verlegt / Schlachte-Umbau startet mit Einrütteln von Spundwänden / Beweissicherung an Gebäuden / Ab 2000 können Touristen kommen

Energisch geht der ausgestreckte Daumen nach oben. Aus dem Kran-auspuff quillt dicker schwarzblauer Qualm, der Diesel brüllt auf. Langsam und knirschend hebt sich der hellblaue Anleger „Martini-Kirche  2“aus seinen Verankerungen und entschwebt gen Himmel. Nur kurz dauert der Flug, dann setzt Nummer  2 auf dem Schwimmponton auf und tritt seinen kurzen Weg zum neuen Bestimmungsort an. Rund 500 Meter geht die Fahrt – fest vertäut mit dem Schlepper „Dehning 23“– die Weser hinauf. Dann heißt es „Leinen raus“, die Bremer Vergnügungsdampfer sollen künftig am Tiefer starten. Die Schlachte wird umgebaut.

Dort machen sich bereits zwei Kräne an den alten Verankerungs-pfählen zu schaffen. Obenauf sitzt eine riesige rote Rüttelmaschine und versetzt die 40 Jahre alten Pöhle in Schwingungen. „Die sind in den Jahren quasi auf dem Wesergrund festgewachsen“, erläutert Ingo Purnhagen, Bauaufseher aus dem Hafenamt. Irgendwann geben sie dann doch nach und landen auf dem wrackig aussehenden Lastkahn „Dehning  20“. Jetzt ist Bremens City-Ufer frei zum Umbau.

Meter für Meter versinken die ersten rostigen Spundwände im Matsch am Fuße der Böschung. Unter Höllenlärm – der sämtliche Anwohner kirre macht – wird zunächst eine 30 Meter lange Hilfswand eingerüttelt, um die Schlachteböschung an der Martini-Kirche abzustützen. Davor wird dann die Hauptspundwand im Wesergrund versenkt. Diese soll später mit einem Betonauflieger abgerundet und dann mit Granitsteinen verkleidet werden. Der Rest der Promenade wird bis Mitte 2000 eine Spundwand erhalten, dort aber mit Granitböschung. Davor wird ein Anlieger installiert. Dann haben „Martini-Kirche 1+2“ausgedient.

Erstmal legen dort – an neuer Stelle am Tiefer – wieder die Ausflugsdampfer der Schreiber-Reederei „Hanseat“und „Oceana“mit ihrem typischen DDR-HO-Gaststätten-Resopal-Stil ab – irgendwie müssen Ausflugsdampfer diesen spröden Charme versprühen, sonst wär's keine Schiffspartie. Los geht's im April, täglich zu Rundfahrten die Weser runter in die Neustädter Häfenreviere (Abfahrt: 11.45 Uhr, 13.30 Uhr und 15.15 Uhr). Ab Ostern gibt es auch Streckenfahrten nach Bremen-Nord, Brake und Bremerhaven.

Derweil werden an der Schlachte 39 Millionen Mark verbaut. Allerdings könnte das Unternehmen um einiges teurer werden, wenn durch die Rüttelei an den Spundwänden eines der vielen historischen Gebäude an der Schlachte oder gar die Martini-Kirche Setzrisse bekäme. „Davon ist aber nicht auszugehen“, beruhigt Purnhagen. Um dies zu verhindern, werden die Spundwände bewußt eingerüttelt und nicht eingerammt. Für alle Fälle hat die Bauaufsicht einen Gutachter mit Fotoapparat an der Schlachte entlang gejagt. „Der hat den Zustand der Häuser festgehalten – als Beweissicherung“, so Purnhagen.

Wenn dann im Jahr 2000 alles fertig ist, sollen 23 Schiffe an der Schlachte liegen. Museums- und Vergnügungsdampfer sind geplant. Vom Theater bis zur verruchten Mitternachtsbar ist alles willkommen, was Touristen anlockt. Und die wollen „Fun, Fun, Fun“. Damit dürften dann auch die Verbotsschilder an den alten Martini-Anlegern ausgedient haben. Dort ist sogar das Befahren der Anleger mit „Pkw's“geregelt – „erst wenn das Binnenschiff besonders gut vertäut ist“. Außerdem hat der Käpt'n des jeweiligen Dampfers „Streupflicht“auf seinem Landesteg. Ab 2000 dürfte sich in diesen Verantwortungsbereich der Schiffsherren dann wohl auch noch sicheres Geleit für besoffene Touris hinzugesellen. Hauptsache, sie lassen ihr Geld in Bremen!

Jens Tittmann