Es werde Gelb, sprach Nike

Wie der Fußballweltmeister Brasilien und sein Vertragspartner sich auf das heutige „Weltereignis“ vorbereitet haben. Das große Duell mit dem Doppel DFB/Adidas  ■ Aus Stuttgart Peter Unfried

Unter einem mächtigen Nike- Swoosh saß endlich Mario Zagallo und hielt sich die Hände vor die Augen. „Das Licht blendet mich“, sagte er.

Auch das noch. Bei der Ankunft der brasilianischen Fußballer in Echterdingen hatte es geschneit, und gestern war es immer noch bitterkalt. Was dem Trainer Gelegenheit gab, ausführlich über klimatische Benachteiligung seines Teams vor dem heutigen Testspiel gegen die DFB-Fußballer zu referieren (20.30 Uhr, ARD). Zagallo hat es nicht leicht in diesen Tagen. Zwei Niederlagen neulich beim Gold-Cup haben das Land beunruhigt, und so kam es, daß er gestern in der Stuttgarter Reithalle den emeritierten Fußballhelden Arthur Antunes Coimbra, genannt Zico (45), neben sich sitzen hatte. Der ist jetzt „technischer Direktor“, laut Eigendefinition also zuständig für Rat und Tat, „wenn Herr Zagallo das wünscht“. Roberto Falcão ist ein anderer Held von gestern, und wenn man ihn fragt, sagt er, die Herren, die beide bei Flamengo groß wurden, seien prima „Freunde“. Andererseits wünschten große Teile der Anhängerschaft Zagallo zuletzt zum Teufel, so daß CBE-Präsident Ricardo Teixeira aus Populismusgründen schleunigst Zico an Bord rief.

Zagallo (67) bleibt bis zur WM der Chef – sagt man. Der Mann hat mehr gewonnen als jeder andere, einschließlich Pelé und Beckenbauer. Als Spieler definierte er die Linksaußenrolle neu und wurde zweimal Weltmeister (58, 62). Einmal gewann er die WM als Trainer (70) und zuletzt 1994 als technischer Direktor.

Heute aber könnte er ein gutes Resultat gegen die Deutschen brauchen, um bis zur WM einigermaßen Ruhe zu haben. Dort wird von der selecão das verlangt, was Zagallo gern penta nennt, die fünfte, und Zico „das große gemeinsame Ziel“. Die Brasilianer haben, sagt Zico, „entsprechende Individualkräfte“, um die WM zu verteidigen, aber wie fast immer wird der Trick darin bestehen, die Hierarchie im Team zu wahren, neue Männer wie Denilson draußen schwach zu halten und auf dem Feld dennoch stark zu machen, zudem Romario in seiner „Bester Freund“-Rolle von Superstar Ronaldo aufgehen zu lassen.

Obwohl, daß der Junge sich aufspielte, kann man nicht sagen. Brav saß er da, und Fragen beantwortete er so, daß man sich an die meisten Antworten nicht mehr erinnern konnte, bevor er fertiggeredet hatte. Aber Ronaldo soll das werden, was von der WM 1998 bleiben wird – wenn es nach seinem Hauptarbeitgeber, dem Sportartikler Nike, geht. Damit nichts schiefgeht, hat Nike (Jahresumsatz 15,6 Milliarden Mark) auch gleich den ganzen brasilianischen Verband für zehn Jahre und geschätzte 400 Millionen Dollar, wenn man so will, gekauft.

Aber selbst, wenn man „die Dinge nicht vermischen sollte“, wie Zagallo fordert, darf man annehmen, daß das Interesse der Firma an dem heutigen Testspiel mindestens so groß war wie das des Trainers. Die „Brazil World Tour 98“ ist der Blitzkrieg, mit dem Firmenchef Phil Knight versucht, Rückschläge in etablierten Geschäftsbereichen auf einem bisher vernachlässigten Feld zu kompensieren. Dazu scheut man sich nicht, den Konkurrenten und Fußball- Marktführer Adidas (6,0 Milliarden Jahresumsatz) herauszufordern. Ganz Stuttgart ist in diesen Tagen gelb vor lebenden Nike-Litfaßsäulen. Adidas hat dafür zur Verteidigung die Billboards mit den Köpfen der DFB-Fußballer vollgeklebt. Der wichtigste Adidas-Vertragspartner hat beim Rechte-Deal mit dem brasilianischen Bevollmächtigten von Nike- Sports and Entertainement (NSE) schon merken müssen, was für ein Wind weht. „Ein simples Freundschaftsspiel“, hat Knight gesagt, könne ein „Weltereignis“ werden. Wer die internationalen Rechte verkauft, gewinnt. Die internationalen Bildrechte sind heute die, die von der Gegengerade des Neckarstadions die Bandenwerbung gegenüber zeigen – und die hat NSE verkauft. Die Rechte für Bilder von der Haupttribüne hat der DFB an die ARD weitergegeben.

Angesichts dieser Dimensionen wirkt es fast rührend, ein Männchen wie Zagallo, eingekreist von 1.000 Kameras, über seine kleinen Sorgen reden zu hören. Oder zu sehen, wie Ronaldo den Mund öffnet und sagt, wenn schon, wolle er nicht der neue Maradona, „sondern lieber der neue Zico“ sein.

Allerdings kann er Brasilien damit auch nicht beruhigen. Zico hat, im Gegensatz zu Zagallo, bei Weltmeisterschaften letztlich immer verloren.