Zwischen E und U

■ "Amadeo", das neue Klassikmagazin vom "Stern", ist nicht elitär - aber ganz gut

Allein die CD ist die 8,80 Mark wert, und wer das beigeklebte Heft zum Altpapier gibt, hat immer noch ein gutes Geschäft gemacht: Brahms' „Klavierkonzert Nr. 2“ und Beethovens „Appasionata“ – gespielt von Swjatoslaw Richter, dem laut Vladimir Ashkenazy „einzigen Genie unter den Pianisten“.

Wie Geo und Konrad will auch der jüngste Stern-Ableger Amadeo, so Stern-Chef Werner Funk im Editorial, „keine Fachzeitschrift sein und auch kein Branchenblatt, (...) nicht elitär, aber kritisch und kompetent“. – Eine Publikumszeitschrift eben, fürs Bildungsbürgertum und all jene, die zu den ebenso teuren wie ausverkauften Konzerten der drei Tingeltenöre in Fußballstadien rennen. Es ist schon äußerst schwierig, so ein Heft zu machen und dabei weder die Klassikpuristen zu vergraulen noch jene, die neben Schlagern und Pop auch mal was Klassisches hören. Die Puristen bringen keine Auflage, und das Konzertpublikum wird immer älter.

Der Verlagskonzern Gruner + Jahr probiert mit dem am Montag erschienenen Probeheft den Balanceakt: Frecher als Geo und schriller als art, aber stets solide recherchiert und so geschrieben, daß man zum Verständnis kein Konservatorium besuchen muß. Die Grenze zwischen E- und U-Musik wird geschickt verwischt. Das ist gut so, aber auch gefährlich: Auf das Interview mit Andrew Lloyd Weber hätte man verzichten sollen – besonders wenn ihn der Reporter mit Mozart vergleicht. Aber da ist dieses wunderschöne Fotoessay über den Flamenco und die Reportage über das Innenleben der Wiener Oper – Highlights, die man sonst nirgends findet. Die fünfzig Seiten über die Musikhaupstadt Berlin indes verraten dem Kenner nichts Neues, der Artikel über die berühmten Stradivari-Geigen schon: Es gibt noch 500, und jede kostet soviel wie zwanzig Porsche. Die CD-Besprechungen sind vielleicht ein wenig zu anspruchsvoll, dafür gibt es schöne Ein-Satz-Kritiken preiswerter Klassikraritäten, z. B. zu einer Scarlatti-Einspielung von Vladimir Horowitz: „Tigerpranke mit Samthandschuhen.“

Die Aufmachung ist vielleicht ein wenig reißerisch: Da küßt Sharon Kam zärtlich ihre Klarinette, Cecilia Bartoli („Die Stimme der Verführung“) lockt auf einem Diwan, und die Tangotänzerin zeigt viel Bein. Das ist schön – und hat auch mit Musik sehr viel zu tun. Dieter Grönling