Mündig, kritisch, selbständig denkend

■ betr.: Castor- und Bundeswehran zeigen, taz vom 18./19.3.98

[...] Wenn sie nicht vom Informationskreis Kernenergie stammen würde, der Lobbyvertretung der Atomindustrie, könnte man es für eine Realsatire halten. [...] Allein die Überschrift mit dem Vergleich Castor = Demokratie (= Castordemokratie?) spricht Bände. Dann die großzügige, gönnerhafte Geste, daß ein „friedliches Engagement Respekt verdient“. Vielen Dank. Es ist unglaublich, wie jetzt auch die Atomindustrie die Proteste der letzten Jahre gegen ihre menschenverachtende Politik instrumentalisiert. [...]

Ach, wie dankbar bin ich dieser Industrie, endlich verstehen sich alle Menschen unterschiedlicher Meinung. Man kann sich ja die Proteste als Atomlobby auch leisten angesichts der politischen und wirtschaftlichen Einflußnahme derselben. Ach ja, wenn es um Sicherheit (sic!) geht, gibt es keine Kompromisse mehr, da es schließlich Menschen gibt, „die dem Castor besonders nahe kommen“. Ja, so ist das, vor allen Dingen, wenn jetzt der Castor-Typ NTL 11 des AKW Krümmel einem Falltest in Frankreich nicht standhielt. Da geht man lieber keine Kompromisse ein, oder gar reale Tests beim jetzt anstehenden Castor- Transport, wozu gibt es schließlich die Polizei (die den Castor-Behältern übrigens am nächsten kommen dürfte).

Was bleibt: Das ist menschenverachtender Zynismus pur und ein Demokratieverständnis, daß einen das Fürchten lehrt. [...] Maximilian v. Demandowsky

Mir ging es ähnlich, wie Uwe Rada, als ich die Aufregung um die BW-Anzeige verfolgt habe. [...]

Einfach mal eine Nebenfrage, die mich schon seit der Anzeige mit der grünen Wiese beschäftigt: Meldet sich eigentlich auch irgend jemand zu den Aufrufen von Bolko Hoffmann? Den finde ich nun wirklich witzig in der taz. Oder kennt den einfach keiner? Nicht, daß es Euch eines Tages wie dem Rühe geht, der Vorträge zu verantworten hat und sich nicht drumgekümmert hatte, wer alles so in seinen Kasernen spricht...

Daß die Eigentümer so pragmatisch sich geäußert haben, ist für mich ein Grund mehr, darüber nachzudenken, Genossenschaftsmitglied zu werden. [...] Heijko Bauer, Erlangen

Meiner Meinung nach solltet Ihr bei Euren (bzw. wir bei unseren) selbstauferlegten Grenzen bleiben: keine sexistischen, rassistischen und militaristischen Anzeigen in der taz. Das ist ein Teil des Selbstverständnisses der taz und sollte es auch bleiben. Das ist immerhin auch ein wichtiger Grund, wieso ihr etwas anders als die anderen seid. Die Trennung zwischen Anzeigenteil und redaktionellem Teil ist eine Selbstverständlichkeit und kann somit nicht als Argument für die Anzeigen herhalten. Ralf Thomsen, Berlin

„Friedliches Engagement verdient Respekt“, das sitzt, auch heute noch, 18 Jahre nach dem „Bohrloch 1004“, wo uns friedliebenden 4.000 die ganze martialische Ausrüstung des Staates zur Durchsetzung bestimmter Interessen vorgeführt wurde. Ist es nicht grotesk, daß ausgerechnet die taz – mit ihrer Geschichte – Geld dafür nimmt, daß solch ein Satz des „Informationskreises Kernenergie“ auf ihren Seiten abgedruckt wird? Und daß bei all den vielen Menschen, denen ihre ablehnende Haltung zur Atomenergie Demütigung, Kriminalisierung, eine endlose Kette gerichtlicher Verfahren, Geldstrafen usw. eingebracht hat?

Das geht mir entschieden zu weit. Für dieses Projekt weiter zu streiten und zu löhnen, bin ich nicht bereit. [...] Detlef Loy, Berlin

[...] Ich finde die Castor-Anzeige gut bzw. daß Ihr diese geschaltet habt.

An die Oberschlauen: Ihr solltet Euch mal überlegen, ob diese und ähnliche Anzeigen auch (!) deswegen an die taz nahegebracht werden, damit aufgrund Eurer Aufschreie und Abo-Kündigungen gerade diese einzige linke Tageszeitung auf diese Weise kaputtgemacht wird. Die Mächtigen hätten dann das Lachen. Franke Brede, Dortmund

[...] Es macht zwar Spaß, sich gegenüber Anzeigenkunden anzubiedern und bringt Kohle und sieht sogar gut aus (die Atom-Anzeige war ja richtig chic...), aber Ihr werdet damit ein Problem kriegen, weil Euch die Zielgruppe weglaufen wird (das ist nicht die Medienbranche!).

Mein Tip also: Spendet den Betrag oder zumindest einen Teil des Geldes an eine Anti-Atom-Ini in Ahaus oder Gorleben! Jason Krüger, Berlin

Voll gut, ey, daß Ihr die taz jetzt gratis in die Kasernen verschickt! Dann könnt Ihr ja zukünftig die Abbuchungen von meinem Konto einstellen – ich bin nämlich zur Zeit beim Bund. Na gut, nicht mehr ganz, aber vor acht Jahren noch. Und eigentlich hab ich da ja auch Zivildienst gemacht. Na und, ist das vielleicht 'ne Schande? Jedenfalls toll, daß die taz jetzt für umsonst kommt. Danke! Gerald Holzer, Tübingen

Selten so gelacht wie beim Anblick der Anzeige der Atomwirtschaft. Eure Plazierung der Anzeige war einfach großartig und überzeugt mich davon, daß Ihr Recht daran tatet, das Geld dafür zu nehmen. Zwischen den Artikeln über Castor wird doch ganz deutlich, was für 'ne billige und erbärmliche Propagandamasche die Atomindustrie fährt, und man braucht wirklich keine Sorge zu haben, daß irgend jemand darauf reinfällt, der die taz liest. [...] C. v. Paczensky, Karlsruhe

Als taz-Abonnent der ersten Stunde will ich mal den Abdruck der Bundeswehranzeige hier ausdrücklich billigen. Wenn die Bundeswehr damit zum Erhalt der taz beiträgt, ist der Verein doch wenigstens für etwas gut. Solange die Redaktion nicht für die Bundeswehr wirbt, kann ich damit leben. Michael Haase, Witten

Frage der Woche: Warum habe ich die taz abonniert bzw. geworben? Weil wir nämlich eine „andere“, eine bessere Zeitung lesen wollen! „Kritisch, nicht angepaßt, frech & neugierig.“

Aber nun das. Nachdem wir bei der Bundeswehranzeige schon geschluckt haben, haben wir uns bei denen der Kernenergie schon kräftig verschluckt, aber taz-mag zum 8.3. sowie der bescheuerte & überflüssige Neuaufguß der 10jährigen Porno-Seite brachten uns fast zum Kotzen. Wenn das alles Eure Kollegen sind, liebe taz-Mitarbeiterinnen, dann tut Ihr uns gewaltig leid. [...]

Klar, sind taz-LeserInnen alles mündige, kritische, selbständig denkende Menschen, mündiger etc. als alle anderen natürlich. Und sie werden sicherlich nicht durch ein paar Anzeigen zu glühenden Verfechtern einer „demokratischen“ Bundeswehr resp. „demokratischen“ Kernenergie. Aber wir möchten diese Anzeigen trotzdem in der taz nicht vorfinden. Abgesehen davon, daß sie ja Euren ursprünglichen Zielsetzungen ebenfalls widersprechen. Aber noch viel weniger diese pseudointellektuell gefärbten sexistischen Obsessionen Eurer so unverkrampften männlichen Journalistenkollegen.

Denn dann abnonnieren wir den Playboy und bestellen dafür die taz ab. Alles klar, dann macht weiter, aber bitte anders. Waltraud Klittich,

Manfred Bauer, Pforzheim

[...] Eine 180-Grad-Umkehr, und damit sind auch Gen- und Castor-Anzeigen gemeint, kann der Vorstand nach meinem Demokratieverständnis nicht einfach anordnen. Auch eine simple Abstimmungsmehrheit reicht hier nicht aus. Wenn das finanzielle Überlegen der taz wirklich von dubiosen Großaufträgen wie den genannten abhinge – was noch niemand nachgewiesen hat! – könnte sich die taz sowieso begraben lassen.

Es geht hier nicht nur um die belächelten Mimosen, denen die taz für die moralischen Ansprüche einstehen soll, die sie selbst wahrscheinlich längst aufgegeben haben. Der taz stellt sich genau wie den Grünen die Frage, ob die notwendige Anpassung an die bestehenden Strukturen nicht irgendwann in der Selbstaufgabe endet. Im Fall der taz wenigstens nicht heimlich, still und leise. Almut Kückelhaus, Hagen

[...] Wir distanzieren uns von Meinungsschreiberling drei der taz vom 14.3. 98. [...] Jedoch zeigen solche Meinungen auch die ambivalente Beziehung auf, die die taz zu ihren LeserInnen hat. Einerseits sind AbonnentInnen zum Überleben der taz wichtig, andererseits wird die Leserschaft erstmal übergangen bei der Anzeigendiskussion (als würden wiederum nur die GenossInnen, also GeldgeberInnen betroffen sein – welch kapitalistisches Denken!), und bei negativer Auffassung der geplanten Schritte werden Eure LeserInnen nun auch noch von besagtem Meinungsschreiberling beleidigt.

Weil Glaubwürdigkeit, Unabhängigkeit und Zeitung-LeserInnen-Gefüge für uns durch die geplante Anzeigenpolitik gefährdet sind, lehnen wir diese ab. Kirsten Schaub, Karten Looke,

Oldenburg

[...] Wenn ich großformatige Anzeigen unbedingt sehen und – wie Ihr wohl meint – reflektieren will, kann ich problemlos die FAZ, den Spiegel oder den Stern lesen. Vor allem in den letztgenannten Zeitschriften machen die Werbeanzeigen bereits seit langem den Hauptteil der Informationen aus. Wenn Ihr da auch hinwollt, na dann Prost Mahlzeit – aber auf jeden Fall ohne unsere Zustimmung und ohne unsere Knete. [...] Tomás Mannheim, Berlin