Medizinische Experimente?

■ Debatte über Bioethik-Konvention heute im Rechtsausschuß des Bundestages

Frankfurt/Main (taz) – Die jahrelange Auseinandersetzung um die Biomedizin-Konvention des Europarates kommt in die entscheidende Phase. Am heutigen Mittwoch veranstaltet der Rechtsausschuß des Bundestages eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen. Es geht darum, ob die Bundesregierung den Völkerrechtsvertrag unterzeichnen soll, gegen den 1,5 Millionen Menschen per Unterschrift protestiert haben.

Nach Bonn geladen sind neun ExpertInnen sowie RepräsentantInnen der großen Kirchen. Die meisten der eingeladenen Professoren aus Medizin, Recht und Ethik sind als Konventionsbefürworter bekannt. Zum Zünglein an der Waage könnten diejenigen werden, die sich öffentlich bislang nicht festgelegt haben: die Vertreter der Kirchen. Daß die Bioethik- Konvention die Forschung an Embryonen erlaubt, lehnt die katholische Deutsche Bischofskonferenz zwar ab. Doch bei ihrem Vorsitzenden Karl Lehmann sei „die Tendenz da, daß die Bischofskonferenz die Ratifizierung des Übereinkommens nicht verurteilen wird“, so Pressesprecher Rudolf Hammerschmidt.

Ob Lehmann bei seinem Jein bleibt, das die Bundesregierung gern als Ja interpretiert, ist ebenso offen wie die Position der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Ihr Repräsentant müßte heute aber erläutern, daß zumindest das Diakonische Werk der EKD inzwischen eine klare Linie vertritt: Der Diakonische Rat hat sich Mitte März gegen die Zeichnung der Bioethik-Konvention ausgesprochen, vor allem weil der europäische Vertrag in Ausnahmefällen erlaubt, was hierzulande strikt verboten ist: medizinische Experimente ohne therapeutischen Nutzen mit Menschen, die nicht persönlich einwilligen können – also mit geistig Behinderten, Altersverwirrten und bewußtlosen PatientInnen. Das Diakonische Werk hat Gewicht: Jeder zweite Platz in einer Einrichtung für behinderte Menschen und jedes zehnte Krankenhaus befinden sich in diakonischer Trägerschaft.

Fraglich ist allerdings, wie ernst die Anhörung in Bonn überhaupt genommen wird. Ohne ihre Ergebnisse abzuwarten, haben rund 30 einflußreiche Abgeordnete längst Fakten geschaffen. Die interfraktionelle Gruppe, angeführt vom Parlamentarischen Geschäftsführer der SPD, Catenhusen, sowie den Ministern Schmidt-Jortzig (Justiz/FDP), Rüttgers (Forschung/ CDU) und Seehofer (Gesundheit/ CSU), hat einen „Initiativantrag“ vorgelegt. Das Papier fordert die Regierung auf, die Bioethik-Konvention zu zeichnen. Über den Antrag soll der Bundestag voraussichtlich im Mai entscheiden. Klaus-Peter Görlitzer