Der Osten fürs Gespräch

■ In Frankfurt geht's ums Geschäft, in Leipzig zählen Flair, Nostalgie und Kommunikation

Alt, eng und stickig oder neu, lichtdurchflutet und geräumig? Eine einfache Wahl, sollte man meinen. Doch für die Leipziger Buchmesse wurde daraus die Schicksalsfrage destilliert. Der Umzug von den alten Gebäuden in der Innenstadt ins außerhalb gelegene Messegelände ist bei den Verlagen umstritten. Die Buchbranche bangt um Flair, Charme, und den gewohnten DDR-Nostalgiecharakter; deshalb war sie ja nach Leipzig gekommen. Schließlich funktioniert in Deutschland so die gebräuchliche Zuständigkeitsaufteilung zwischen Ost und West: der Westen fürs Geschäftliche, der Osten fürs Gespräch.

Neben der gigantischen Frankfurter Buchmesse ist Leipzig ein Dasein als freundliche und überschaubare Publikumsmesse zugedacht, als Kommunikationsort, den die Verlage aus Prestigegründen aufsuchen, auch wenn sie dabei draufzahlen. Aber kann die Leipziger Buchmesse mit diesem Agreement überleben?

Sie muß, denn sie hat keine andere Chance. „Die Leipziger Buchmesse soll ein Kulturereignis in Mitteleuropa werden“, verkündete die Messechefin Cornelia Wohlfahrt getreu dem Motto, daß Kultur immer dann gerne beschworen wird, wenn's ökonomisch weniger gut läuft. Zu diesem Zweck reklamiert man auch die „Brückenfunktion“ nach Osten für sich: Der Länderschwerpunkt Rumänien steht in dieser Tradition.

Dabei hat Wohlfahrt durchaus gute Zahlen vorzuweisen. Trotz des Umzugs in die Big Business simulierende Messehallenkunstwelt haben sich in diesem Jahr mit 1.800 Verlagen aus 34 Ländern mehr Teilnehmer angemeldet als im Vorjahr, als 1.620 Verlage aus 33 Ländern nach Leipzig kamen. Rund 700 Autoren werden in viereinhalb Messetagen 700 Lesungen abhalten. 70 Veranstaltungen sind zum Thema Rumänien geplant.

Das ist nicht schlecht, doch wenn es darum geht, mit Zahlen zu imponieren, hat Leipzig gegenüber Frankfurt immer die schlechteren Karten. Die bloßen Teilnehmerzahlen (1997: 60.000) täuschen darüber hinweg, daß viele Verlage nur zögerlich und mit kleiner Besetzung kommen. Der Deutsche Taschenbuchverlag hat gar eine „Denkpause“ beschlossen und will erst einmal abwarten, wie sich der „Standort Leipzig“ weiter entwickelt. Dafür wird erstmals Bundespräsident Roman Herzog Präsenz zeigen, wenn am Freitag die Autorin Swetlana Alexijewitsch mit dem „Leipziger Buchpreis zur europäischen Verständigung“ des deutschen Börsenvereins ausgezeichnet wird. Ob's hilft? Jörg Magenau