Der Kampf um die kulturelle Hegemonie

■ In den von der Front National regierten Städten in Südfrankreich haben die Rechtsextremen regelrechte Säuberungsaktionen gestartet. Die Betroffenen können sich nur schwer wehren

Paris (taz) – Wenn die Touloner Lehrerin außerhalb ihrer Stadt über die inzwischen zweieinhalb Jahre mit einem Bürgermeister von der Front National berichtet, zeigt heute kaum noch jemand Interesse. Dabei sind die Geschichten aus Toulon und den drei anderen rechtsextrem regierten Städten in Frankreichs Süden – Orange, Vitrolles, Marignane – erhellend. Überall haben die Rechtsextremen ihre „Säuberungen“ im kulturellen und sozialen Milieu begonnen.

Während die Abonnements von liberalen Zeitungen wie Libération und Le Monde „aus Spargründen“ gestrichen wurden, kommt heute die gesamte Palette der rechtsextremen Blätter und Literatur in die öffentlichen Bücherhallen. In Toulon wurde das international renommierte Theater von Chateauvallon geschlossen, dessen Direktor zu den erklärten Gegnern der Rechtsextremen gehört. Und in Orange wurden die Subventionen für das internationale Festival „Chorégies“ gestrichen.

In Toulon lud das Rathaus kritische Autoren von der alljährlichen Buchmesse aus. Im Stadtzentrum von Toulon eröffnete nach der Wahl ein Buchladen, der unbehelligt Titel wie „Muß man die Araber Frankreichs verbrennen?“ auslegen und seinen großen Wachhund auf Gegner der Front National hetzen darf, die den Laden betreten. Der Direktor des kommunalen Touloner Theaters Comedia, der nach dem Machtwechsel von sich aus jede Subvention abgelehnt hat, erhielt anonyme Morddrohungen am Telefon, nachdem er „Lucie Aubryc“ und eine Diskussion mit der hochbetagten einstigen Résistance-Kämpferin auf sein Programm gesetzt hatte.

In Vitrolles ließ das Rathaus im vergangenen Oktober kurzerhand den Veranstaltungsort „Sous-Marin“, dessen multikulturelles Musikprogramm ihm nicht gefiel, zumauern. Inzwischen entschied zwar ein Gericht, das sei illegal gewesen, doch De-facto-Bürgermeister Bruno Mégret, eine Führungsfigur der Front National, machte unbeirrt weiter. Sein jüngster lokalpolitischer Coup ist die Prämie von 5.000 Francs für Babys von „französischen oder europäischen Eltern“, die er zwar per Plakat überall ankündigte, die jedoch am Veto des Provinzpräfekten scheiterte.

Die Entlassungsopfer der Front National in Vitrolles – bis heute rund 150 – haben einen eigenen Club, „La Charrette“. Bei ihnen laufen auch die Berichte über junge Rechtsextreme zusammen, die Immigranten krankenhausreif schlagen. „Die Leute haben Angst“, sagt eine Verantwortliche von La Charrette, „immer häufiger verzichten sie darauf, Anzeige zu erstatten.“ Dorothea Hahn