Analyse
: Spätes Bremsen

■ Jahrelang heizte das Pentagon Fusionen an, nun hat es Skrupel

Vor fünf Jahren lud das US-Verteidigungsministerium die Chefs der wesentlichen zwei Dutzend Rüstungskonzerne ins Pentagon ein. Verteidigungsstaatssekretär John Deutsch empfing sie, so die Legende, mit den Worten: „Beim nächsten Treffen werden wir nur noch eine Handvoll sein.“ Fakt ist: Das Pentagon gab an diesem Tag grünes Licht für eine gewaltige Fusionswelle, in der Firmen im Wert von 60 Milliarden Dollar übernommen wurden und an deren Ende nur vier Konzerne übrig blieben. Als vergangenen Juli der größte von ihnen, Lockheed Martin, den kleinsten, Northrop Grumman, für 8 Milliarden Dollar übernehmen wollte, glaubte jeder an das natürliche Ende des großen Fressens. Doch das Pentagon hat seine Meinung geändert: Vorgestern kündigte es an, gegen die Fusion zu klagen.

Dabei hatte das Pentagon die Übernahmen sogar durch Vergünstigungen stark angeheizt: Die fusionierenden Waffenschmieden konnten der Regierung ihre Umstrukturierungskosten durch die Fusionen direkt in Rechnung stellen. „Pay- offs for lay-offs“, „Auszahlungen für Entlassungen“, beschimpften Kritiker diese Praxis, vor allem Senatoren aus von Werksschließung betroffenen Bundesstaaten. Durch Fusion würden die produzierten Waffen billiger für den Staat, verteidigte dagegen das Pentagon seine Subventionen. Nach dem Ende des Kalten Krieges und der Beerdigung des Star- Wars-Programms sind die Ausgaben für Kriegstechnik drastisch gesunken. Gaben die USA 1986 noch sechs Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Waffen aus, ist es dieses Jahr gerade noch die Hälfte. Die Konzerne kämpften ums Überleben. Insgesamt eine Million Jobs gingen verloren.

Zunächst hatte die Bush-Regierung die Devise der „Dual- use“ ausgegeben. Die Rüstungsfirmen sollten in zivile Projekte investieren. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, daß für den zivilen Markt produzierende Firmen billiger und flexibler arbeiten. Doch das Konzept ging nicht auf. So blieben Fusionen. Allein im Marktführer Lockheed – er baut den F-16-Kampfjet – mit rund 30 Milliarden Dollar Umsatz sind insgesamt acht Firmen verschmolzen. Northrop, das den Tarnkappenbomber Stealth baut, gilt bei Analysten mit rund sieben Milliarden Dollar Umsatz schon als zu klein.

Doch der Druck aus dem Kongreß und von Zulieferfirmen, die unter dem Preisdiktat der wenigen Großkonzerne leiden, hat das Pentagon zum Nachdenken gebracht. Außerdem ist Deutsch inzwischen CIA-Chef und mit Jack Gansler ein Staatssekretär ins Pentagon eingezogen, der ein Verfechter des „dual-use“ ist. Nun haben die Konzerne angeboten, Firmenteile im Wert von einer Milliarde Dollar auszulagern, das Pentagon verlangt das Vierfache. Doch die Fusion ist nicht mehr aufzuhalten. Matthias Urbach