Grün ist der Streit – jetzt um die Nato

■ Die Bundestagsfraktion kann sich nicht über Nato-Osterweiterung einigen. Die Parteispitze mahnt, sich an die Beschlußlage zu halten. SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder sagt: Grüne derzeit nicht regierungsfähig

Bonn (taz) – Das schlechte Erscheinungsbild der Bündnisgrünen läßt jetzt auch den möglichen Bündnispartner auf Distanz gehen. SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder hält die Grünen derzeit auf Bundesebene nicht für regierungsfähig. Mit ihren Beschlüssen zur Außenpolitik und den Vorschlägen zur Benzin- und Kerosinsteuer habe sich die Partei „aus der ernsthaften politischen Diskussion in Deutschland“ zunächst verabschiedet, erklärte Schröder in Jerusalem, wo er sich in seiner Funktion als Bundesratspräsident aufhält.

Fraktionssprecher Joschka Fischer, dem Schröder noch Anfang März die Befähigung zum Amt des Außenministers bescheinigt hatte, nahm's gelassen: „Der sagt im Moment viel. Der kann vor Kraft nicht laufen. Nun warten wir mal ab“, erklärte er auf dem Weg zur Fraktionssitzung in Bonn. Deren Ergebnis wurde gestern mit Spannung erwartet. Obwohl Abgeordnete aller parteiinternen Strömungen zur Geschlossenheit mahnten, zeichneten sich im Vorfeld der Sitzung Konflikte entlang der alten Linien ab. Besonders heftig umstritten: die Verträge zur Nato-Osterweiterung, über die in dieser Woche der Bundestag abstimmen wird.

„Ich lasse mir da keine Fesseln anlegen“, erklärte Rezzo Schlauch. Jeder müsse in dieser Frage nach seinem Gewissen entscheiden. „Ich persönlich stimme dafür.“ Die Parteilinke Angelika Beer forderte dagegen eine „einheitliche Linie der Fraktion“. Sie sei bereit, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Falls jedoch Vertreter des realpolitischen Flügels für die Osterweiterung stimmen, werde sie dagegen votieren. „Wenn die Realos das wollen, wird der alte Streit wieder aufbrechen.“ Fraktionssprecherin Kerstin Müller hoffte, daß die Fraktion „sich mehrheitlich auf eine Enthaltung verständigt. Wir können jetzt wirklich keinen Zwist gebrauchen.“ Das Schlüsselwort bei dieser Äußerung dürfte „mehrheitlich“ sein. Ob es gelingen würde, die Fraktion auf eine Linie einzuschwören, war gestern bis Redaktionsschluß offen. Fischer erklärte: „In einer demokratischen Partei gibt es unterschiedliche Meinungen.“ Einige Abgeordnete, wie die zum realpolitischen Flügel zählende Marieluise Beck, wollten ihre Haltung erst im Laufe der Beratungen festlegen. Sie gab zu bedenken, „daß es ein großer Schaden für die Partei wäre, wenn wir jetzt einen Grabenkrieg bekämen“.

Unterdessen zeichnet sich möglicherweise beim Thema Benzinpreiserhöhung neuer Streit ab. Oswald Metzger, haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion, trat gestern dafür ein, als erste Erhöhungsstufe nicht wie bisher 30, sondern nur 20 Pfennig pro Liter zu fordern: „30 Pfennig setzen sie eh mit niemandem durch.“ Metzger räumte ein, das sei „weniger, als im Programm“ stehe.

Organisatorisch bemühen sich die Grünen um Schadensbegrenzung. Ein ursprünglich für September geplanter Länderrat soll jetzt bereits Anfang Juni stattfinden. Nach Ansicht von Beobachtern kann das dazu beitragen, Forderungen nach einem Sonderparteitag den Boden zu entziehen. Im Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt will die Partei mit einer Flugblattaktion zum Benzinpreis in die Offensive gehen. Bettina Gaus