Mauscheleien im Labor

Staatsanwaltschaft und Polizei nehmen Hamburger Laborpraxen wegen des Verdachts der Falschabrechnung unter die Lupe  ■ Von Lisa Schönemann

Die Hamburger Staatsanwaltschaft und die Polizei haben gestern in einer Blitzaktion Praxen, Labore und Privatwohnungen von acht Ärzten durchsucht. Insgesamt seien 13 Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Dahinter steht der Verdacht, auf das Konto der Labormediziner gingen Falschabrechnungen in zweistelliger Millionenhöhe. Aufgrund von überhöhten Bilanzen soll seit 1993 ein Schaden von 70 bis 100 Millionen Mark entstanden sein.

Pikant: Unter den Verdächtigen ist auch Michael Späth, der Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), jenem Selbstverwaltungsgremium der niedergelassenen Mediziner, das die medizinische Versorgung der Stadt organisiert. Die KV bekommt dafür jährlich rund 1,16 Milliarden Mark von den Krankenkassen. Dieser Betrag wird auf die rund 3000 niedergelassenen Ärzte verteilt.

Späth unterstrich gestern vor der Presse, daß er „lediglich Geschäftsführer“der von den Vorwürfen betroffenen „Laborgemeinschaft Hamburg“gewesen sei, die allein im vergangenen Jahr rund 20 Millionen zuviel eingestrichen haben soll. Die Abrechnungen der Laborleistungen hätten nicht zu seinem Aufgabenfeld gehört.

Unstrittig ist, daß der geltend gemachte Honorarsatz für die Laboruntersuchungen in den beanstandeten Fällen höher war als üblich. „Es wird nun zu klären sein, ob diese höheren Fallwerte auf Besonderheiten des jeweiligen Laborbetriebes beruhen oder welche sonstige Erklärung es gibt“, erklärte Späth. Die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) forderte den KV-Funktionär gestern auf, sein Amt ruhen zu lassen, bis die Vorwürfe geklärt sind.

Die Anklagebehörde wird Monate brauchen, um das beschlagnahmte Beweismaterial zu sichten. Beschäftigt sich die 1993 eingerichtete Sonderabteilung für den Bereich Medizin doch nicht nur mit den Laborpraxen, sondern auch mit den Machenschaften der Hamburger Herzspezialisten in den Kardiolaboren, mit den Vorwürfen gegen einen privatärztlichen Notdienst und vielen kleineren Mauscheleien von Hausärzten. Gegen einen Augenarzt, der unnötige Operationen gleich dutzendweise angesetzt haben soll, wird zur Zeit vor dem Landgericht verhandelt. Der zuständige Staatsanwalt Manfred Wagner sah in der Zunahme der Betrugsfälle bereits im Winter im Gespräch mit der taz „ein Indiz für den zunehmenden Verteilungskampf unter den Niedergelassenen“.

Ohnedies ist sich die Staatsanwaltschaft im klaren, daß sie bisher nur die Spitze des Eisbergs ausgelotet hat. Wenn es um die kleinen und größeren Schönheitsfehler der Abrechnungen geht, können nur die Patienten den Stein ins Rollen bringen: Das fünfte Sozialgesetzbuch sieht vor, daß Versicherte von ihrer Kasse eine detaillierte Auflistung über die vom Arzt geltend gemachten Honoraransprüche verlangen können. Auf diese Weise könnten Kassenpatienten überprüfen, ob sich in die Abrechnung eine Behandlung eingeschlichen hat, in deren Genuß sie niemals gekommen sind.