Lernen fürs Leben: Razzia im Unterricht

■ Eine Hundertschaft Polizei durchsuchte in einer Zehlendorfer Hauptschule die SchülerInnen der 7. und 8. Klassen nach Drogen und Waffen. Schule ist "kein sozialer Brennpunkt", doch Bildungsstadtrat s

Großeinsatz der Polizei in der Zehlendorfer Leistikow-Hauptschule: 90 Beamte rückten zur Unterrichtszeit am Dienstag morgen in die Klassenräume, um die Taschen von 88 Siebt- und Achtkläßlern nach Waffen und Drogen zu durchsuchen. Sieben SchülerInnen wurden vorläufig festgenommen, wie Rektor Heinz Winkler bestätigte. Neben Haschisch und einem gestohlenen Handy stellte die Polizei zwei Gaspistolen und zwei Messer sicher.

Winkler persönlich marschierte vor den Beamten in die Klassen der einzigen Hauptschule Zehlendorfs, um die Taschendurchsuchung anzukündigen. Einzeln mußten die SchülerInnen ihre Taschen den PolizistInnen in Zivil und Uniform vorzeigen. Die festgenommenen SchülerInnen wurden in Handschellen abgeführt. Gedacht war die Maßnahme als Abschreckung, bestätigte die Schulleitung: Denn bislang habe es an der Zehlendorfer Hauptschule keine Zwischenfälle in Zusammenhang mit Gewalt und Drogen gegeben. Trotzdem, so der Rektor, habe er mit der von ihm veranlaßten Aktion ein Zeichen setzen wollen: Sie sei Reaktion gewesen auf die in letzter Zeit gehäuften Vorhaltungen von Eltern, Schülern und Anwohnern, an seiner Schule kursierten Waffen und Drogen.

Winkler hatte die Polizei zur Amtshilfe hinzugezogen, nachdem ihn selbst sein Schülersprecher auf das Problem aufmerksam gemacht habe: „Der Hinweis war deutlich“, so der Rektor. Als Schulleiter fühle er sich verantwortlich für die Sicherheit seiner Schülerschaft.

Die 13- bis 17jährigen aus der siebten und achten Klasse waren am Dienstag die einzigen SchülerInnen, die die Beamten antrafen. Die neunte und zehnte Klasse sei derzeit im Betriebspraktikum.

Als „angemessen“ hat der Zehlendorfer Bildungsstadtrat, Stefan Schlede (CDU), die Überraschungsaktion bezeichnet, die möglicherweise wiederholt werden könne. „Man muß deutliche Grenzen setzen“, erklärte Schlede. An der Schule dürften keine rechtsfreien Räume geduldet werden und Schule solle „angstfrei sein“. Zwar sei die Leistikow- Hauptschule kein sozialer Brennpunkt, aber man müsse „Zeichen für die Schulen Berlins setzen“.

Kritik an dem martialischen Einsatz von Lehrern und Ordnungshütern kommt dagegen von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Die Sprecherin Erdmute Safranski erklärte, mit 14- bis 15jährigen „müßte die Gesellschaft eigentlich anders umgehen. Für mein Gefühl ist das ziemlich kraß.“ Offensichtlich, so Safranski, seien alle anderen sinnvollen Maßnahmen in Zehlendorf gescheitert. Generell fühlten sich die SchülerInnen an Hauptschulen ohnehin oft ausgegrenzt und ohne berufliche Perspektive abgeschoben, an Schulen solle in erster Linie pädagogisch vorgegangen werden. Für einen „theoretisch vorstellbaren“ Polizeieinsatz müsse der Fall schon sehr gravierend sein. Angesichts des Ergebnisses sei der Polizeieinsatz „überdimensioniert“. Kerstin Marx