■ Standbild: Antidepressivum
„Gefangen in der Traurigkeit“, Di., 22.15 Uhr, ZDF
„Das Selbstbild, das man hat, wenn man depressiv ist, stimmt ja nicht immer mit der Realität überein“, sagte Esther aus Moers. Was ja nicht nur für Depressive gilt. Und der „37 Grad“-Vorspann war noch nicht durch, da zeigte uns Autor Peter Bardehle auch noch „einen Hamburger, den die Krankheit den Job“ kostete, und „eine Mainzerin, der sie fast das Leben gekostet hätte“. Warum der Hamburger dazu trübsinnig in den Himmel blickte, die Mainzerin forsch durch Weinberge radelte? – Ihr geht's wieder besser, ihm weniger. Und Eisläufer Norbert ist auch wieder auf dem Damm. Was wir aber schon von seinen Talkshow-Auftritten wußten...
Das Bemühen der Reporter, Depressionen anhand von Fallbeispielen endlich zur öffentlichen Akzeptanz als „seriöse“ Krankheit zu verhelfen, ist redlich. Allerdings half es wenig, daß sich Patienten und Off-Kommentar in methaphorischen Beschreibungen („Versteinerung“, „Seele Trauer trägt“ etc.) gegenseitig zu überbieten trachteten. „Wie ein Blick ins Nichts“, sagte Reinhard aus Hamburg. Zu Recht: Depressionen sind nun mal ungefähr so verfilmbar wie schwarze Löcher, auch wenn gleich vier (!) Kameraleute vorzugsweise auf die üblichen visuellen Sinnsprüche verfielen. Hier ein Strauß vertrockneter Rosen, da ein herbstlich Zweiglein, das sich im Wasser spiegelte, und beim Thema Antidepressiva ein Zoom in die Kasse eines Apothekers. Schließlich sah man Esther aus Moers in die Auslage eines Schuhgeschäftes blicken und hörte dazu aus dem Off: „Auch Esther hat manchmal Todesgedanken.“ Wir kennen das Schuhangebot in Moers nicht, aber das machte den Film denn doch schnurstracks zum Antidepressivum. Reinhard Lüke
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