Amerikanische Invasion bei Afrikas Amerikanern

Clintons Afrikatour führt ihn jetzt nach Südafrika – ein schwierigeres Reiseziel, als es den Anschein hat  ■ Aus Johannesburg Kordula Doerfler

In anderen Teilen des Kontinents werden die Südafrikaner oft ein wenig abfällig „die Amerikaner Afrikas“ genannt. Ihr seit der politischen Wende am Kap rasch erstarktes und häufig allzu unbekümmert zur Schau getragenes Selbstbewußtsein sowie ihre aggressive Investitionstätigkeit haben ihnen nicht nur Freunde eingebracht. Da nun allerdings erstmals ein US-Präsident südafrikanischen Boden betritt, besteht zumindest aus südafrikanischer Sicht kein Zweifel daran, wer allein den Titel „Amerikaner“ für sich beanspruchen darf.

Nicht nur mit Begeisterung bereitet man sich am Kap darauf vor, daß die letzte verbleibende Großmacht auf der Welt jetzt vier Tage lang die Kontrolle übernimmt. Die meisten Kapstädter haben den Besuch von Vizepräsident Al Gore 1996 noch in allzu deutlicher Erinnerung. Ihre schöne Stadt am südlichen Ende des Kontinents erlebte ein ungeahntes Chaos, als die Amerikaner sie praktisch im Handstreich übernahmen. Sämtliche großen Straßen wurden während der Hauptverkehrszeit gesperrt. Das tun die Südafrikaner – in dieser Hinsicht bemerkenswert unafrikanisch – nicht einmal für ihren eigenen Präsidenten. Doch all das war nur ein albernes Vorspiel im Vergleich zu dem, was in diesen Tagen ansteht.

Schon seit Monaten lehren US- amerikanische Sicherheitsexperten die eher legeren südafrikanischen Protokollchefs das Fürchten. Noch kurz vor Beginn des Besuchs lag nicht einmal den Medien ein Programm vor, das Uhrzeiten ausweist. Mutmaßliche Attentäter sollen so lange wie möglich im unklaren gelassen werden, wo sich Bill Clinton wann aufhält. Der Präsident reist mit einer Streitmacht von mindestens 1.000 Leuten durch Afrika: Neben Geschäftsleuten, Journalisten, Beratern und Bodyguards bringt er eine Luftflotte und eine Armada von gepanzerten Fahrzeugen mit. Zwei identische Flugzeuge beherbergen den Präsidenten und seinen Troß, und wenn Bill Clinton am Freitag gemeinsam mit Nelson Mandela die einstige Gefängnisinsel Robben Island vor Kapstadt besucht, werden zwei identische Hubschrauber die Insel anfliegen – ebenfalls aus Sicherheitsgründen.

Unmut über diese Invasion wagt indessen niemand laut zu äußern, zumal die Beziehungen zwischen den USA und Südafrika trotz gegenteiliger Verlautbarungen nicht spannungsfrei sind. Zwar hatte die einstige Befreiungsbewegung ANC in Clintons Demokratischer Partei viele Bewunderer und Unterstützer, doch das Verhältnis ist heute kompliziert, war doch die US-Politik alles andere als eindeutig. Die Demokraten setzten 1986 US-Sanktionen gegen den Apartheidstaat durch. Zugleich unterstützte die Reagan-Regierung aber beispielsweise im blutigen Bürgerkrieg in Angola die rechten Rebellen der Unita im Kampf gegen den Weltkommunismus.

Besonders eng verbunden sind sich bis heute Schwarze auf beiden Seiten. Die Befreiung Südafrikas wird von Afro-Amerikanern zutiefst bewundert, während umgekehrt der american way of life vielen schwarzen Südafrikanern als höchst erstrebenswert gilt. Bis heute erfreuen sich Helden des Anti-Apartheid-Kampfes wie Alan Boesak oder Winnie Madikizela-Mandela in den USA höchster Beliebtheit.

Das Weiße Haus indessen reagiert ungehalten, wenn der einstige Liebling Nelson Mandela nun trotzig seine eigenen außenpolitischen Schwerpunkte setzt und dabei nicht davor zurückschreckt, den US-Amerikanern Rassismus vorzuwerfen. Daß der ANC beste Beziehungen mit verpönten Regimen wie Libyen, dem Iran und Kuba pflegt und sich dabei vor allem von Dankbarkeit für Unterstützung im Befreiungskampf leiten läßt, verärgert die USA immer wieder zutiefst. Mandela wagt es sogar, Muammar al-Gaddafi zu besuchen und sich dabei selbstbewußt jegliche Einmischung aus Washington zu verbitten. Auch dem Washingtoner Plan, unter US-Ägide eine innerafrikanische Friedenstruppe aufzubauen, hat Mandela kühl und unmißverständlich eine Absage erteilt.

Argwöhnisch beobachten die US-Amerikaner auch, daß Südafrika sich nicht länger an die internationalen Regelungen für „geistiges Eigentum“ halten will, um im Land beispielsweise billige Medikamente herstellen zu können. Dieses komplizierte und heikle Thema soll jedoch zwischen Clinton und Mandela nicht angesprochen werden, hieß es im Vorfeld aus dem Weißen Haus. Statt dessen ist man bemüht, die positiven Seiten der bilateralen Beziehungen herauszustreichen.

Im Vordergrund stehen dabei wirtschaftliche Motive. Obwohl Clinton mit dem Besuch am Kap auch die Verdienste Nelson Mandelas und seiner Versöhnungspolitik würdigen möchte, ist sein Ziel kein humanitäres. Unter den sechs Ländern, die Clinton besucht, ist Südafrika ein wirtschaftlicher Gigant unter Zwergen – ein potenter Handelspartner und ein lohnender Standort für Investitionen, die nach Wunsch der US-Regierung massenhaft nach Afrika fließen sollen.

Rasch wurde nach den ersten freien Wahlen in Südafrika eine binationale Kommission zwischen beiden Ländern eingerichtet, die in prominenter Besetzung zweimal im Jahr tagt. Weit mehr als die 200 US-Firmen, die während der Sanktionen das Land verlassen haben, sind heute wieder vor Ort vertreten und haben rund 9,5 Milliarden Dollar investiert. 1996 beliefen sich die US-Exporte auf den gesamten afrikanischen Kontinent auf sechs Milliarden Dollar – fünf Milliarden davon fielen auf Südafrika. Südafrika wiederum importierte US- Güter im Wert von drei Milliarden Dollar. Wenn es um die Bedeutung von wirtschaftlichem Wachstum für Afrika geht, werden sich die beiden Präsidenten ganz einig sein. Beide halten es für unabdingbar für langfristige Stabilität und demokratische Entwicklung. Kleiner erhoffter Nebeneffekt in den USA: die Hilfsprogramme für Afrika zurückzufahren.