: Koalitionskrach in Erfurt nach Computer-Diebstahl
■ Nach herber Kritik aus der CDU droht Thüringens SPD-Innenminister Dewes mit dem Bruch der Koalition: Der Regierungspartner habe den Diebstahl für „gezielte Attacken“ genutzt
Erfurt (AFP) – Nach dem Diebstahl vertraulicher Computerdaten aus dem Thüringer Innenministerium bahnt sich in der schwarz-roten Landesregierung eine Koalitionskrise an. Ressortchef Richard Dewes (SPD) warf Teilen der CDU gestern in Erfurt „gezielte und abgestimmte Attacken“ gegen seine Person und die SPD vor. Die CDU habe Umgangsregeln innerhalb der Koalition klar mißachtet. Dies sei ein Koalitionsbruch, sagte Dewes, der auch SPD-Landeschef ist. Die CDU, an der Spitze Ministerpräsident und Parteichef Bernhard Vogel, nehme den Diebstahl zum Anlaß, ihn persönlich zu diskreditieren. Die SPD werde intern über den Fall beraten, sagte Dewes weiter; er ließ offen, ob es dabei auch um die Fortsetzung der großen Koalition in Thüringen gehen sollte. Zuvor hatte der Minister im Landtagsinnenausschuß zu dem Vorfall Stellung genommen.
Herbe Kritik äußerte Dewes an Äußerungen Vogels in der Thüringischen Landeszeitung. Die Behauptung des Regierungschefs, er sei nur unzureichend über den Diebstahl informiert worden, sei schlicht falsch, betonte der Minister. Als „rechtsstaatlich völlig unhaltbar“ bezeichnete Dewes die Abmahnung der Datenschutzbeauftragten gegenüber seinem Ministerium sowie die Ankündigung des Landtagspräsidenten Frank- Michael Pietzsch (CDU), straf- und dienstrechtliche Konsequenzen zu prüfen. Dies werde er nicht hinnehmen, betonte Dewes: „Es geht hier nicht nur um mein Ego, sondern um die Selbstachtung der SPD.“
Der Rechner mit vertraulichen Daten war nach dem Umzug des Ministeriums im November gestohlen worden. Dewes geht nach eigenen Angaben davon aus, daß der Diebstahl von einem „Insider“ ausgeführt wurde, um eine „gezielte Indiskretion“ herbeizuführen. Auf der Festplatte des gestohlenen Computers befanden sich unter anderem Geheimprotokolle der Parlamentarischen Kontrollkommission und Daten über den Ex-Chef des Landeskriminalamtes, der im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der sogenannten Erfurter Rotlicht-Affäre beurlaubt worden war.
Nach Ansicht der Behörde hat der Diebstahl keine Auswirkungen auf die Arbeit der Landesregierung und der Sicherheitsbehörden. Innenminister Dewes ist nach eigenen Angaben erst rund zwei Monate nach dem Diebstahl informiert worden.
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