Ein Jürgen soll es jetzt richten

■ Kampf um Seeler-Nachfolge hält an / Jürgen Werner hat Interesse / Was will Jürgen Hunke?

Kreuzfahrer Jürgen Werner wäre am liebsten wohl gleich an Bord geblieben. Rummel schätzt der 62jährige nämlich gar nicht, vor allem nicht um seine Person. Das machte der stellvertretende Vorsitzende des Aufsichtsrats gestern bei der Rückkehr von seinem mehrwöchigen Urlaub noch einmal deutlich. „Maßlos überrascht“zeigte sich Werner, designierter Nachfolger von Uwe Seeler zu sein, der am Montag erklärt hatte, am 9. Mai als Vorstandsvorsitzender des HSV zurücktreten zu wollen.

„Ich bin nicht der potentielle Nachfolger, es gibt noch andere“, wehrte Werner ab, für den sich in den vergangenen Tagen unter anderem der Aufsichtsratsvorsitzende Udo Bandow ausgesprochen hatte. Er lasse sich nicht „instrumentalisieren“, wie es in den Berichten zum Ausdruck gekommen sei, sagte Werner. „Wenn, dann mache ich so etwas aus eigener Überzeugung und mit eigenen Vorstellungen“, schloß es der pensionierte Oberstudiendirektor jedoch grundsätzlich nicht aus, Seelers Erbe anzutreten.

Dem ehemaligen Außenläufer des HSV und Mannschaftskameraden des Dicken war gestern zuvorderst daran gelegen, erst einmal das Tempo aus der Diskussion zu nehmen. Vor einer Entscheidung müsse die „schwierige Lage des HSV“ruhig analysiert werden.

Die Prüfung wird wohl am kommenden Dienstag bei der Sitzung des von den Mitgliedern gewählten Aufsichtsrats anstehen, der den Vereinschef ernennt. „Das sind Voraussetzungen für einen HSV, der kein Spielzeug für persönliche Interessen, Interessen der Medien oder auch Machtausübung ist.“

Damit könnte Werner auch auf seinen Aufsichtsratskollegen Jürgen Hunke anspielen. Der Ex-Präsident ließ bislang keine Gelegenheit aus, sich als Seeler-Nachfolger zu empfehlen. Das Credo des millionenschweren Versicherungs-Unternehmers, der im zwölfköpfigen Aufsichtsrat allerdings keine Mehrheit besitzt: „Man muß einfach mal Feuer entzünden.“Was Hunkes Rauchzeichen aber zu bedeuten haben, ist meist unklar.

Verbesserungs-Vorschläge hat der bei der vergangenen Bürgerschaftswahl gescheiterte Spitzenkandidat der Statt Partei nicht in petto. „Es muß Power entstehen“, bleibt der Mann mit dem Hang zu ostasiatischen Philosophien vage. Aber wahrscheinlich entspricht gerade dieses kraftstrotzende Getöse derzeit mehr den Bedürfnissen der darbenden HSV-Anhänger als die zurückhaltende Art Werners.

Die „Supporters“, mit 4500 Mitgliedern größte Fangruppierung im Verein, unterstützen Hunke. Sie wollen einen, der herkommt und anpackt, egal wo, denn schlechter als es unter Seeler gelaufen ist, könne es ja nicht mehr werden. Die Ähnlichkeiten zum sozialdemokratischen Modell Gerhard Schröder sind nicht zu Übersehen, und auch beim Möchtegern-Seeler-Ersatz Hunke weiß man nicht, was größer ist: seine Eitelkeit oder der Wille zur Macht.

Clemens Gerlach/Bernd Müller