■ Urdrüs Wahre Kolumne
: Allzu irdische Lebensformen

Daß auch das Ortsfähnlein des Deutschen Journalistenverbandes nun mit der Allparteienkoalition den Rücktritt von Intendant Klostermeier fordert, stört keinen großen Geist. Daß die Herren Schmock dies aber mit der Rücksichtnahme auf den Betriebsfrieden im Sender und dessen Ansehen in der Öffentlichkeit begründen, ist ein bißchen viel gedroschenes Stroh auf einmal: Ist Betriebsfriede in Medien nicht grundsätzlich Ausdruck von kumpanenhafter Koexistenz unterschiedlicher Schnarchsack-Fraktionen? Es muß vielmehr viel mehr gestritten werden, und am schlechten Ruf der Radio-Kantine wagt buten & binnen ohnehin niemand zu zweifeln.

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Wenn ich gelegentlich an einer Wallfahrtskirche vorbeikomme, zünde ich dem Herrn Zebaoth gern ein „Vergelts Gott“-Kerzl an, weil er uns Menschen im allgemeinen mit einem emotionalen Frühwarnsystem ausstattet, das uns nach flüchtiger Sichtung einer pfeffersäckischen Gesamtpersönlichkeit wie Klaus Peter Schulenberg sofort alarmiert. Und uns dann konsequent davon abhält, solchen allzu irdischen Lebensformen auch nur eine Sekunde lang den ungeschützten Rücken zuzuwenden. Wie die KPS-Vorverkaufsbude jetzt versucht, das kulturelle Leben über ihr CTS-System zu knebeln, hat mal wieder was von der Qualität der großen Schurkenfilme des Wilden Westens. Leider sind die Rollen der Gegenspieler immer nur mit den B-Movie-Guten besetzt.

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Wenig Vertrauen in die Qualität seines Kurses hat offenbar der Organisator eines Wochenendseminars in Lilienthal zum Thema „Äußerer Reichtum aus innerer Kraft“, denn finanziell unterentwickelten Nachwuchs-Yogis wird auf Anfrage schriftlich mitgeteilt, daß eine Zahlung der Kursgebühr von 400 Mark in vier Raten leider nicht mehr möglich sei: „Wir haben oft genug erfolglos versucht, Außenstände einzutreiben. Da ist dann nach dem Seminar einfach nichts zu holen!“

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Daß zur Osterzeit mit ihren harten Eiern der Beratungsbedarf bei allen Mümmelmännern besonders hoch ist, motiviert das Männerzentrum auch heuer wieder, einen telefonischen Krisendienst selbst in den Os-terferien anzubieten: Täglich von 12 bis 13 und 19 bis 20 Uhr kann sich mann in der Krise unter erleichtern lassen – und das auch noch kostenlos. Und was sagen die heiße Gabi mit den wilden Dildospielen und die rollenspielaktive Fernerzieherin Lady Strong unter NullNullsexundwürzig zu dieser karikativen Konkurrenz für lau?

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Weil mich der Organisator einer gutmenschlichen Unterschriftenaktion zum Thema Obdachlosigkeit leider vor Veröffentlichung seines Manifestes nicht mehr erreichen kontte, hat er mein Einverständnis vorausgesetzt und im Nachhinein darum gebeten, ob er auch künftig so verfahren dürfe. JAWOHL, BITTE SCHÖN, lasse ich auf diesem Weg alle wissen, die gelegentlich ähnliche Willensbekundungen gegen Castor, Lohnkürzungen, genmanipuliertes Bier und Ausländerfeindlichkeit oder für Bratwurststände, Anarchie und andere Menschenrechte verfassen. Fragt Euch aber bitte immer vorher, ob vermutlich Karlsson vom Dach unterschrieben hätte, denn dann bin auch ich bestimmt gern dabei!

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Das Wort „Pfandflaschenrücknahmebargeldautomat“ist vermutlich eine der schönsten Neuschöpfungen aktueller Shoppingkultur. An einem solchen Gerät mußte ich gestern minutenlang warten, weil ein Ehepaar sich beim Einlegen der Flaschen öffentlich darüber stritt, wer für den Schaden am häuslichen Türschloß verantwortlich sei. Ein Wort gibt das andere, und schließlich beginnt SIE, ihn auf das Heftigste mit Schimpfworten zu belegen. Die Kanonade endet schließlich schwer atmend mit: „Du ... du ... du Heimwerker!“Der Mann kontert daraufhin mit schmerzverzerrtem Gesicht: „Komm mir bitte nicht so. Du mußt mich nicht gleich völlig fertigmachen ...!“Viel Verständnis hat für diese Verletztheit in jedem Fall

Ulrich „Obi“Reineking