Die neuen Bezirke: Im Dutzend billiger

■ Mit zwei Stimmen Mehrheit entscheidet das Abgeordnetenhaus für das Reformpaket und die Reduzierung auf 12 Bezirke. Zwei SPD-Dissidenten votierten gegen das Reformpaket. Die CDU stimmte geschlossen da

Berlin wird künftig nur noch zwölf Bezirke haben. Das Reformpaket zur Bezirks- und Verwaltungsreform ist gestern abend im Abgeordnetenhaus mit 140 Stimmen angenommen worden. Dies waren zwei Stimmen mehr als die erforderliche Zweidrittelmehrheit von 138 Stimmen.

Die CDU-Fraktion stimmte geschlossen für das Reformprojekt. Aus der SPD-Fraktion kamen zwei Gegenstimmmen. Mit Nein stimmten in der namentlichen Abstimmung die SPD-Abgeordneten Hans-Joachim Kohl (Kreuzberg) und Gerlinde Schermer (Friedrichshain). Grüne und PDS stimmten geschlossen gegen das Vorhaben.

Die Zahl der Bezirke wird nun bis zum Jahr 2001 von 23 auf 12 verringert. Sie erhalten künftig zusätzliche Aufgaben. Parlament und Senat werden ab 1999 verkleinert. Die insgesamt 15 Verfassungsänderungen wurden in nur 15 Minuten abgestimmt.

Bis zuletzt war nicht sicher gewesen, ob die Zweidrittelmehrheit erreicht wird, obwohl in den Koalitionsfraktionen bereits am Nachmittag Zuversicht demonstriert wurde. Mit den unsicheren Kandidaten beider Fraktionen waren zum Teil noch am Nachmittag Überzeugungsgespräche geführt worden. Dazu gehörten in der CDU-Fraktion der 25jährige Thomas Ziolko (Lichtenberg) sowie vier Steglitzer Abgeordnete. Sie hatten sich vergeblich für eine Verschiebung der Abstimmung auf den 28. Mai ausgesprochen, um die Verfassungsänderungen zusammen mit den noch ausstehenden Detailregelungen zu verabschieden.

In der Schlußrunde wurde die Debatte im Plenum leidenschaftlich. Renate Künast, die Fraktionsvorsitzende der Grünen, kritisierte, daß bei den Koalitionsfraktionen die „Fraktionsdisziplin“ durch einen „Fraktionszwang“ ersetzt worden sei. Sie bot SPD- Fraktionschef Klaus Böger an, der zuvor die Bewegungslosigkeit der Grünen bei der Gebietsreform kritisiert hatte: „Nennen Sie mir eine Zahl für die zukünftigen Bezirke und bieten Sie mir das politische Bezirksamt an.“ An die Adresse von CDU-Fraktionschef Klaus- Rüdiger Landowsky sagte Künast, dieser habe es als seinen erklärten Willen bezeichnet, daß es künftig keine grünen Bezirksbürgermeister mehr geben solle. „Das ist keine Demokratie“, sagte Künast. PDS und Grüne hatten in der Debatte zuvor kritisiert, daß das Reformpaket in einem beispiellosen Schnellverfahren durch das Parlament gepeitscht worden sei.

Am Rande der Plenarsitzung waren auch kritische Töne aus der SPD zu hören gewesen. Der frühere Fraktionsvorsitzende Ditmar Staffelt hatte das Reformpaket als „Kompromiß auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner bezeichnet“.

CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky, der das Vorhaben lange gebremst hatte, brachte das Kunststück fertig, sich in einer überaus launigen Rede als Oberreformer darzustellen. „Das ist kein erotisches Thema, aber es ist notwendig für die Stadt.“ Landowsky pries das Vorhaben als „eines der größten Reformwerke seit 1920, als Berlin zur Einheitsgemeinde wurde“. Berlin erlange damit eine „Vorbildfunktion“. Auch der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen sprach von einer „historischen Stunde“. Die Reform der Verwaltung nannte er eine „heilsame Frischzellenkur“.

SPD-Fraktionschef Klaus Böger sprach von „dem mutigsten Projekt, das eine Großstadt hierzulande im parlamentarischen und administrativen Bereich je erlebt hat.“ Er räumte aber auch ein: „Solche Schlankheitskuren sind noch keine politischen Visionen.“ Dorothee Winden