■ Zum letzten Mal im Bundestag: Das Staatsangehörigkeitsrecht
: Denkmal

Wo heute wohl das Denkmal für doppelte Staatsbürgerschaft steht? Wenn man sich tief durch alte Zeitungen buddelt, durch eine ganze Legislaturperiode von Ausschnitten zum Staatsangehörigkeitsrecht, so stößt man auf die kurze Meldung vom 19. September 1994. Ein Denkmal in Form eines Plexiglas-Containers, so heißt es dort, solle durch die Republik touren bis zu dem Tag, da in Deutschland das Staatsangehörigkeitsrecht aus dem Jahr 1913 reformiert ist. Eine Million gesammelte Unterschriften enthalte der Container. Für den heutigen Freitag hat die Koalition angekündigt, auch die letzte Chance auf eine Änderung des Staatsbürgerschaftsrechts vor der Bundestagswahl zu sabotieren. Gäbe es das tourende Denkmal noch, es käme nicht zur Ruhe.

Der Berg von Unterlagen, der sich zum Thema angehäuft hat, dokumentiert vor allem das vielseitige Bemühen um eine Verbesserung des Status quo. SPD und Grüne fordern schon lange eine Novellierung, ebenso die FDP und zumindest ein Teil der jungen CDU-Abgeordneten. Wenn man also den Unterlagenberg nach der heutigen Abstimmung zum Altpapier geben muß, ohne im Tausch dafür ein modernes Staatsbürgerschaftsrecht zu erhalten, stellt sich die Frage: Wer trägt die Schuld?

Sicher, die „jungen Wilden“ in der CDU-Fraktion haben sich nicht durchgesetzt. Die couragierten Abgeordneten um Peter Altmaier, die monatelang für eine Gesetzesnovelle warben, haben sich von Fraktionschef Schäuble an die Leine der Koalitionsräson legen lassen. Zu heftig war der Widerstand der CSU.

Der Hauptvorwurf ist jedoch an die FDP zu richten. Ganz dringend sei eine Reform geboten, läßt das Führungstrio Solms, Gerhardt und Kinkel verlauten, doch der Koalitionsvertrag erlaube ihrer Partei kein Votum für ein neues Staatsbürgerrecht. Dies müsse bis nach der Bundestagswahl warten. So muß sich die FDP zum Vorwurf der Inkonsequenz noch den der Heuchelei gefallen lassen. Denn die Freidemokraten haben den Schlamassel, als dessen Opfer sie sich jetzt präsentieren, selbst verursacht. Bereits bei der letzten großen Abstimmung zum Thema, noch vor der Bundestagswahl 1994, hatten die Liberalen gegen ein liberaleres Recht gestimmt – „im Vertrauen auf eine umfangreiche Reform“ in dieser Legislaturperiode, wie damals Burkhard Hirsch sagte. Doch bei den anschließenden Koalitionsverhandlungen ging die Partei ein Tauschgeschäft mit der CSU ein. Um ihre wirtschaftspolitischen Forderungen durchzusetzen, ließen sich die Liberalen den bürgerrechtlichen Schneid abkaufen. Vor die FDP-Parteizentrale gehört ein Denkmal für Doppelmoral. Patrik Schwarz