Japan rührt mit großer Kelle an

Die regierende LDP hat gestern ein Konjunkturprogramm mit umgerechnet 216 Milliarden Mark gebilligt. Damit sollen aber vor allem alte Strukturen erhalten werden  ■ Aus Tokio André Kunz

Auf starken ausländischen Druck hin hat sich die Liberal-Demokratische Partei in Japan für eine massive Unterstützung der Konjunktur durchgerungen. Mit 16 Billionen Yen (216 Mrd. DM) will die Regierung in Tokio die Binnenwirtschaft in Schwung bringen, die in letzter Zeit in eine gefährliche Rezession geschlittert war.

Auf den ersten Blick präsentiert sich das Paket als das größte Stimulierungsprogramm, das je eine Volkswirtschaft als Rezept gegen eine Rezession aufgelegt hat. Näher betrachtet entpuppt sich das Konzept allerdings als zweischneidig und aufgebläht. Japans Wirtschaftswachstum wird damit im kommenden Jahr höchstens um 1,5 Prozent zulegen können.

Die Asienkrise und verschleppte Reformen im eigenen Finanzsystem haben Japan in eine Rezession befördert, die schlimmer ist als nach dem Erdölschock von 1973. Kritik wurde besonders in den USA und Europa und jüngst auch bei asiatischen Nachbarn laut. Japan unternehme zuwenig, um die Wirtschaft anzukurbeln und damit auch die Nachfrage nach asiatischen Importen wieder zu steigern, hieß es von allen Seiten. Erst zu Beginn der Woche hatte US-Finanzminister Rubin Tokio noch einmal angemahnt, endlich ein Stimulierungspaket zu verabschieden.

Wie bei früheren Handelsstreiten mit den USA hat der Druck von außen auch dieses Mal in Tokio gewirkt. Das Stimulierungspaket der LDP ist viel höher ausgefallen als ursprünglich vorgesehen. Damit hat die Regierungspartei eine Kehrtwende in ihrer Wirtschafts- und Fiskalpolitik bestätigt. Nicht mehr die Sanierung des Staatshaushaltes, sondern die Stimulierung der Wirtschaft wird zum Credo der Regierung unter Premier Hashimoto. Der einflußreiche Vizeminister im Amt für Verwaltungsangelegenheiten, Koji Tanami, bestätigte die neue Richtung: „Erst kommt die Wirtschaft, dann die Haushaltssanierung.“

Mit diesem Paket steigt die Staatsverschuldung um weitere drei Prozent und ist nun mit Belgien vergleichbar. Der Ökonom Peter Morgan vom Wertpapierhaus HSBC James Chapel weist darauf hin, daß rund die Hälfte des Geldes aus dem Konjunkturpaket keine stimulierende Wirkung hätte, weil es zum Kauf von verbrieften Immobilienwerten und für unnötige Infrastrukturprojekte ausgegeben werde. Schon zwischen 1992 und 1995 habe Japan umgerechnet rund 1.000 Milliarden Mark zur Wirtschaftsstimulierung ausgegeben, ohne damit ein nachhaltiges Wachstum zu schaffen.

Der Chef der LDP-Wirtschaftskommission, Taku Yamasaki, kündigte gestern aber auch Neuinvestitionen in Telekommunikation und Daten-Highway an. Damit sei das Paket auch beschäftigungswirksam. Kritiker stimmten dieser Aussage zwar zu. Aber die Jobs würden fast ausschließlich in der kriselnden Bauwirtschaft erhalten bleiben. Damit werde eine längst fällige Umstrukturierung um Jahre verzögert.

Noch heftiger verwirft Haruo Shimada derartige Konjunkturprogramme. Der angesehene Volkswirt von der Keio-Universität und Berater für die administrative Reform von Premier Hashimoto meint: „80 Prozent des Geldes sind pure Verschwendung.“ Zu viele Tunnel seien in den letzten sieben Jahren durch Japans Berge gebrochen worden, die keinen ökonomischen Nutzen hätten. Konzerthallen seien bald in jedem Kaff an der nordjapanischen Küste anzutreffen. Benutzt würden sie zwei- bis dreimal pro Jahr.

Enttäuscht sind Volkswirte in ganz Japan, weil das Paket keine Steuererleichterungen vorsieht. „Eine solche Maßnahme wäre günstiger und auf lange Sicht viel effizienter gewesen“, sagt Peter Morgan. Nur so wäre die Regierung von Tokio endlich gezwungen, das veraltete Steuersystem zu reformieren. Premier Hashimoto vertröstet für diese Maßnahme auf Mai. Er werde vor dem G-7-Treffen ein weiteres Konjunkturpaket auflegen, sagte er gestern.