Der Kampf um den Kochtopfinhalt

Die großen Nahrungsmittelmarken werfen immer noch gute Gewinne ab – das zeigt die Bilanz von Nestlé. Doch die Konkurrenz in der Branche ist hart und fördert den Einsatz von gentechnischen Zutaten  ■ Von Reiner Metzger

Berlin (taz) – Nestlé war früher der Buhmann der Branche. In den 70ern und 80ern geriet der Konzern wegen seiner Werbekampagnen für Baby-Milchpulver in Entwicklungsländern in Verruf. Weil Kinder am unsauberen Wasser in den Milchnuckelflaschen starben, wurden weltweit Boykotte organisiert. Doch inzwischen ist der Weltmarktführer bei Markennahrung aus der Schußlinie. Gestern konnte am Konzernsitz in Vevey bei Lausanne ein satter Reingewinn von 4 Milliarden Schweizer Franken (etwa 5 Milliarden Mark) verkündet werden. Im Vorjahr waren es erst 3,4 Milliarden Franken gewesen. Der Umsatz stieg 1997 um 16 Prozent auf knapp 70 Milliarden Franken.

Damit folgte Nestlé den anderen Giganten der Branche. Die Konkurrenz um die Gunst der Esser ist hart, doch die größten eines Bereichs machen immer noch Profit. So meldete der US-Riese Philip Morris für 1997 einen Food-Umsatz von 63 Milliarden Mark samt einem Profit für diesen Bereich von gut 7,7 Milliarden Mark. Der europäische Hauptkonkurrent Unilever verkaufte Essen und Trinken für 54 Milliarden Mark.

Seit Ende der 70er Jahre gibt es immer größere Supermarktketten, die mit Hausmarken, Billigmärkten und Großabnahmen die Einkaufspreise drücken. Hier versuchen sich die Hersteller mit mehreren Strategien zu schützen: intern rationalisieren, den Druck an die Zulieferer weitergeben und mit Hilfe großer Werbebudgets die Kunden auf ihre Marken fixieren.

Paul Elshof, Leiter des Food World Research Institutes in Amsterdam, schildert die Auswirkungen für die Belegschaft: „Heute ist eine permanent fortschreitende Reorganisation der Konzerne zu beobachten“, schreibt er in der Gewerkschaftszeitung Mitbestimmung. Nicht mehr die einzelnen Ländervertretungen treffen die Entscheidungen über Werbekampagnen und Produktionsorte, sondern übergreifende Markenmanager. Die Betriebsräte müssen sich erst mühsam länderübergreifend organisieren.

Dabei ziehen sich Nestlé, Unilever und Co. immer mehr auf die Endfertigung zurück. Die Bestandteile für die Rezeptmischungen werden just in time in die Fabrikhallen gekarrt – wie bei der Autoindustrie. Konzerne für Eiweiße aus Soja oder für Hamburgerbrötchen entstehen. Die Zutaten werden immer mehr standardisiert. Stärke aus Mais, Kartoffeln oder Weizen beispielsweise muß untereinander austauschbar sein, damit die Massenfertigung reibungslos läuft.

Hier liegt auch das Hauptverwendungsfeld für Gentechnik in Lebensmitteln. Enzyme, die die verschiedenen Stärken billiger standardisieren, stammen oft von Genbakterien. Ebenso ist eine weltweit standardisierte Rapssorte mit einer bestimmten Ölzusammensetzung etwas günstiger in der Verarbeitung. Deshalb greift auch die Kritik der Umweltschützer kaum, wie gestern etwa vom BUND Niedersachsen in einer neuen Studie geäußert: Gentechnik sei weder gesünder oder umweltfreundlicher noch gibt es zusätzliche Arbeitsplätze, so das Fazit. Das ist den um jede Mark kämpfenden Zulieferern der Lebensmittelbestandteile egal. Für sie zählt naturgemäß nur ein Argument: niedrige Kosten.

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