SPD: Effizient Kritisches vermeiden

■ Clement will im Wahlprogramm lieber von „Verkehrseffizienz“ statt von „Verkehrsvermeidung“ reden. Widerstand aus der Fraktion

Berlin (taz) – Hinter den Kulissen streitet die SPD, ob sie nach der Wahl überhaupt noch etwas gegen die wachsenden Automassen unternehmen will. Im „Arbeitskreis Innovative Verkehrspolitik“, der an einem Entwurf für ein SPD-Verkehrsprogramm arbeitet und von Noch-NRW-Verkehrsminister Wolfgang Clement und seinen Leuten dominiert wird, hat sich die Meinung durchgesetzt, daß die Idee der „Verkehrsvermeidung“ keine Zukunft mehr hat.

Dort will man lieber von „Verkehrseffizienz“ sprechen. Für diese Sprachregelung bekam Clement auch Rückendeckung von Gerhard Schröders niedersächsischer Staatskanzlei. In seinem vertraulichen Thesenpapier, das der taz vorliegt, spricht Clement von den „Verkehrswegen“ als „Lebensadern“ der Gesellschaft. Eine „verordnete Mobilitätsbegrenzung“ komme nicht in Betracht.

Soviel Zaudern bringt Elke Ferner, Verkehrssprecherin der SPD im Bundestag, auf die Palme. „Lieber Wolfgang“, schreibt sie in einem Brief Anfang Februar an Clement, der der taz vorliegt, „ein verkehrspolitischer Ansatz, der nicht einmal den Versuch unternimmt, dämpfend auf das Verkehrswachstum einzuwirken, kapituliert vor den Herausforderungen.“ Selbst Bundesverkehrsminister Wissmann betone „öffentlich die Notwendigkeit der Verkehrsvermeidung“. Auch der Schienenverkehr käme „zu kurz“, und bei der Verkehrssicherheit werde nur auf technischen Fortschritt verwiesen – „nach dem Motto: Alles wird gut“.

Wenig Gefallen findet die Bundestagsabgeordnete an der Zusammensetzung des Arbeitskreises, in dem auch Vertreter aus Wissenschaft und Industrie sitzen: „Mir widerstrebt es, im Beisein von Managern der Automobilindustrie SPD-interne Debatten über unterschiedliche Politikansätze zu führen.“ Inzwischen schreibt Ferner, die ebenfalls eingeladen war, lieber intern mit Gefolgsleuten von Parteichef Lafontaine an einem Gegenentwurf.

Selbst die Verlagerung des innerdeutschen Flugverkehrs auf die Schiene wurde wieder aus dem Entwurf gestrichen. Dabei will sogar die Lufthansa ihre Inlandsflüge auf die Bahn verlagern. Nur in einem Punkt geht Clements Vorschlag der SPD-Verkehrssprecherin Ferner zu weit: Der designierte NRW-Ministerpräsident sprach sich im ersten Entwurf für eine extra Benzinsteuer von 10 Pfennig aus, um damit Bus und Bahn zu finanzieren. Ferners Kommentar: Das lasse sich nicht mit Lafontaines Ankündigung vereinbaren, die Steuern nach der Wahl nicht erhöhen zu wollen. Matthias Urbach